Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Silikon war. So was sieht unsereins ja auf den ersten Blick.“
In allen drei Zeitungen gab es, wie vorauszusehen war, Anspielungen auf den legendären und nie überführten Jack the Ripper. Nur bezeichneten sie den Täter halt als den „Ripper von Margareten“.
„Das dritte Opfer des Serienkillers von Margareten ist, bevor es mit seinem eigenen Seidenschal erdrosselt wurde, mit K.o.- Tropfen betäubt worden, die der Täter während der Vorstellung in ihr Cola geschüttet hatte“, schrieb ein Journalist. Es folgte ein längeres Geschwafel über die Gefährlichkeit von Betäubungsmitteln und über Rohypnol, das ja damals auch die mörderischen Krankenschwestern von Lainz verwendet hatten. Schließlich betonte der Autor auch noch, dass die „mörderische Witwe“ Blauensteiner ebenfalls im fünften Bezirk gewohnt hatte.
In dem anderen Blatt wurde ein Freigänger vom Mittersteig verdächtigt, und in der dritten Boulevardzeitung ein Transvestit als Frauenmörder entlarvt. Orlando begann hysterisch zu lachen, als ich ihm diese Passage vorlas.
„Ein Sexualmörder läuft weiterhin frei in Wien herum. Die Polizei tappt im Dunkeln. Der Bürgermeister von Wien reagierte auf die Frage, was er gegen diesen Serienkiller zu unternehmen gedächte, ebenfalls ratlos.“
Orlando lachte noch immer.
„Vielleicht sollte der Häupl des Nachts schwer bewaffnet durch Margareten ziehen“, sagte ich erbost zu ihm und wollte die Zeitungen in den Papiermüll werfen.
Orlando schnappte sich eines der Blättchen und sagte: „Im nächsten Absatz schlägt tatsächlich ein FP-Politiker vor, dass man in Margareten eine Bürgerwehr gründen solle. Mit lauter aufrechten deutschstämmigen Österreichern …“
„Hör auf, mir wird gleich schlecht.“
„Der Kriminalpolizei wird jedenfalls komplettes Versagen vorgeworfen. Da krieg ja selbst ich Mitleid mit den Kieberern“, sagte er grinsend.
„Jedenfalls werden die Bürgerinnen und Bürger des Fünften Bezirks aufgefordert, in nächster Zeit sehr wachsam zu sein …“, las er weiter.
„Schmeiß diesen Scheiß endlich weg“, fauchte ich ihn an.
Ich ging in die Trafik und besorgte mir den FALTER, ohne zu wissen, dass sich darin ein Interview mit meinem geliebten Dr. Mader über Serientäter und Profilerstellung befand. Zuhause stürzte ich mich bei einer zweiten Tasse Kaffee und einer Zigarette sogleich auf dieses Interview.
FALTER:
Wie muss man sich die Arbeit eines Profilers vorstellen?
Dr. Mader:
Die Profiler vom FBI behaupten, dass man, um den Täter zu finden, die Tat betrachten und sich in die Denkweise des unbekannten Täters versetzen muss, und natürlich auch an die Stelle des Opfers, so schmerzlich dies auch sein mag. Erst wenn wir eine konkrete Vorstellung davon haben, wie das Opfer auf diese schrecklichen Angriffe und Verletzungen reagiert haben könnte, werden wir eventuell das Verhalten und die Reaktionen des Täters begreifen können. Manchmal kann man sie nur fassen, wenn man lernt zu denken wie sie.
FALTER:
Wie erstellt man ein Täter-Profil?
Dr. Mader:
In jedem Grundkurs für Profilerstellung wird die Analyse stets in drei Fragen und Phasen eingeteilt: Was, warum und wer. Was ist geschehen? Warum ist es so und nicht anders geschehen? Und diese Überlegungen führen zu der Frage, wer diese Verbrechen aus genau diesen Gründen begangen haben könnte.
FALTER:
Was bringt einen Menschen dazu, Serienmörder zu werden? Gibt es frühe Warnsignale?
Dr. Mader:
Manche Kollegen behaupten, der einzige einigermaßen verlässliche Hinweis sei eine gewalttätige Familiengeschichte. Serienmörder verstehen es zu manipulieren, sind narzisstisch und absolut egozentrisch. Bei uns ist es nach wie vor so, dass Gewaltverbrechen häufig im Familien- oder Bekanntenkreis stattfinden. Die meisten Morde werden aus Geldgier, Wut, Neid, Eifersucht und Rache verübt. Wenn diese emotionalen Probleme ausgelebt wurden, ist das Verbrechen sozusagen abgeschlossen. Serientäter hören erst auf zu morden, wenn sie gefasst werden. Sie lernen aus Erfahrung und „perfektionieren“ ihre Verbrechen. Fast alle Täter sind übrigens Männer.
FALTER:
Handelt es sich Ihrer Meinung nach bei dem Mörder von Margareten um einen Serientäter? Gibt es bei diesen Fällen ein gemeinsames Motiv?
Dr. Mader:
Die drei gängigsten Motive von Serienvergewaltigern und -mördern sind Dominanz, Manipulation und Kontrolle. Alles, was sie tun und denken, ist darauf ausgerichtet, ihr ansonsten leeres Leben
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