Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Angusrind gibt, und dass der Gergely jedes Jahr Köche aus exotischen Ländern als Gastköche engagiert“, sagte ich.
Tony versuchte jetzt den Gourmet herauszukehren. Er bemerkte nicht, dass er mich mit seinem Geschwätz langweilte. Als er auch noch anfing, über seinen Job zu reden, begann ich unruhig auf dem bequemen Ledersessel hin und her zu rutschen. Die Geschäfte von Immobilienmaklern interessierten mich nun wirklich nicht.
Ich drängte darauf aufzubrechen. Seine fast flehentliche Bitte, irgendwo einen Kaffee mit ihm zu trinken, würgte ich ab: „Ich muss nach Hause, ich bekomme heute noch Besuch.“
Als wir uns vor dem Lokal voneinander verabschiedeten, küsste er mich wieder auf den Mund. Dieses Mal war es ein richtiger Kuss.
Ziemlich atemlos machte ich mich von ihm los. Tony küsste besser als alle meine bisherigen Liebhaber. Bei den vielen Lovern, die ich in meinem Leben gehabt hatte, konnte ich mich aber vielleicht auch nicht mehr an alle Küsse erinnern. Es fiel mir nicht leicht, ihn nach Hause zu schicken. Doch ich hatte heute noch einiges zu erledigen. Von wegen Leidenschaft, Frau Kafka, der Alltag geht vor, dachte ich.
Nachdem ich es geschafft hatte, ihn loszuwerden, ging ich einkaufen. Zum Glück hatte ein Supermarkt bis halb acht offen.
Seit Orlando bei mir wohnte, war mein Kühlschrank ständig leer. Obwohl er andauernd betonte, nichts essen zu wollen, hatte er alle meine Vorräte aufgefressen. Fast hatte ich den Verdacht, dass er unter Bulimie litt. Wer weiß, vielleicht kotzte er mein Klo voll, wenn ich nicht zuhause war?
Zurück in meiner Wohnung, machte ich mich gleich ans Putzen. Eine öde und undankbare Tätigkeit, aber sehr hilfreich gegen Erregungszustände. Wenn man den Boden aufwischt oder eine versaute Abwasch scheuert, denkt man weniger an Sex und noch weniger an Mord und Totschlag. Als ich mich mit Kübel und Fetzen in mein Bad begab, tauchten aber sehr wohl Mordgelüste gegenüber Orlando auf. Nachdem ich das Badezimmer auf Hochglanz gebracht hatte, legte ich mich aufs Ohr.
Ich schwamm im Wienfluss, der den Dreck der ganzen Stadt in den Donaukanal und dann weiter in die schöne blaue Donau schwemmte. Zigeunerweisen erklangen. Mein Onkel Sándor spielte mit seiner Gruppe zum Tanz auf. Ich schwamm weiter, immer weiter flussabwärts. Ließ mich von der Strömung treiben. Der Wienfluss führte extrem viel Wasser, war zu einem reißenden Strom geworden. Ich konnte nirgends stehen. Lautes Zischen und Krachen unterbrach die leidenschaftlichen Melodien meines Onkels. Schwere Eisentrümmer stürzten auf mich herab, versenkten mich in der Kloake. Ein großer dunkler Wagen schwamm plötzlich neben mir her. Am Steuer saß eine Frau. Ich blickte in ein schmales, bleiches Gesicht. Ihre leblosen dunklen Augen starrten mich vorwurfsvoll an. Aber im Gegensatz zu ihr lebte ich noch. Denn ich hörte Glockengeläute. Schreckte auf, fiel fast aus dem Bett.
Orlandos Anruf brachte mich in die Realität zurück. Er lud mich zu einer Spätvorstellung im Filmcasino ein. Als Revanche für meine Gastfreundschaft.
„Das Filmcasino ist das geilste Kino von Wien“, beteuerte er, als ich zögerte.
„Es ist auch mein Lieblingskino, wie du weißt. Aber ich bin todmüde. Außerdem habe ich schlecht geträumt.“
„Ich hol dich ab. Bin gleich bei dir!“
Zwei Minuten später stand er vor der Tür. Orlando und ich hatten noch einen kleinen Disput, aus dem ich als Siegerin hervorging. Ich hatte mich geweigert, mit ihm ins Kino zu gehen, wenn er wieder seine Sisi-Klamotten anziehen würde, und so verzichtete er schweren Herzens darauf.
15
Die anderen Besucher im Filmcasino starrten uns trotzdem an. Orlando trug zwar Männerkleidung, hatte sich aber stark geschminkt. Im Grunde war es mir aber egal, ob uns die Leute anstarrten oder nicht. Ich wollte ihm nur seinen Sisi-Tick abgewöhnen.
Horrorfilme interessierten mich eigentlich nicht. „Strahlen des Bösen“, war, laut Orlando, ein Kult-Film, den man unbedingt gesehen haben musste. Ich setzte während der Vorstellung trotzdem mein kleines Schläfchen fort.
Als wir nach dem Film im Hinterhof eine Zigarette rauchten, machte er mir Vorwürfe, weil ich die besten Szenen verschlafen hätte. Ich redete mich auf meine Frühjahrsmüdigkeit hinaus.
Auf den kahlen Ästen des alten Baumes hockte ein Rabenpärchen. Unwillkürlich musste ich an die Unglücksraben und den Fluch, der sich mit ihnen verknüpfte, denken.
Plötzlich erklang ein lautes Kreischen. Der
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