Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
da. Aber ich bin mir ganz sicher, dass sie mit einem Mann an einem Tisch in einer dunklen Ecke saß und einen Campari Orange trank.“
„Wann war das?“
„Kurz bevor wir ins Kino gingen.“
„Du glaubst also, jemand hat ihr flüssiges Rohypnol in den Campari getan?“
„Ja, oder eben Liquid Ecstasy.“
„Und dann hat sie es noch bis ins Filmcasino geschafft?“
„Keine Ahnung, wie lange das Zeug braucht, um einen umzuhauen. Aber der geschleckte Typ an ihrer Seite war bestimmt dieser Typ, der auch die anderen Frauen auf dem Gewissen hat“, sagte er.
„Wie kannst du dir dessen nur so sicher sein?“, fragte ich.
„Ich hab heute was Interessantes über die ermordete Rechtsanwältin erfahren. Angeblich hatte sie bis vor einem Jahr ein Verhältnis mit einem windigen Typen, der sie ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans. Ist dir übrigens aufgefallen, dass sie buchstäblich hingerichtet worden ist? Ich hab sofort an die Todesspritze denken müssen, die sie den Mördern in den USA verpassen. Vielleicht weil sie eine Gesetzesvertreterin war …?“
„Du hast zu viel Phantasie, Orlando. Und außer dir hat bisher noch keiner einen Zusammenhang zwischen diesem Unbekannten und den ermordeten Frauen hergestellt.“
„Was nicht heißt, dass ich falsch liege, oder?“
„Natürlich nicht. Es wundert mich nur, dass die Polizei diesen Mann nicht verdächtigt. Vielleicht solltest du ihnen noch mal einen Tipp geben.“
„Du willst mich verarschen“, sagte er beleidigt.
Er tat mir Unrecht. Ich nahm seinen Verdacht durchaus ernst. Wir debattierten weiter, bis wir an meiner Wohnungstür angelangt waren.
Obwohl es schon spät war, ging ich hinunter in die Waschküche und füllte eine Maschine mit Handtüchern. Orlandos Handtuchverbrauch war außerordentlich.
Eigentlich sehnte ich mich nach Ruhe. Der Anblick der Toten hatte mich aufgewühlt. Die letzte Tote, der ich bewusst ins Gesicht geblickt hatte, war meine Mutter im Memorial Hermann Hospital in Houston gewesen. Sie hatte wie eine Schlafende ausgesehen. Die tödlichen Schusswunden waren unter der Bettdecke verborgen gewesen.
Das verstümmelte Antlitz der jungen Polin vermischte sich plötzlich mit dem friedlichen Gesicht meiner toten Mutter. Fast gleichzeitig tauchte auch das vorwurfsvolle Gesicht der Toten aus meinem merkwürdigen Traum auf. Mir wurde schwarz vor den Augen.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem kalten Betonboden der Waschküche. Ich rappelte mich auf und schwor mir, den Mörder der schönen Frauen zu finden. Gleich morgen früh würde ich mich auf die Suche nach ihm machen.
Kaum lag ich im Bett, läutete mein Handy. Ich hob ab. Schaffte es nicht, es läuten zu lassen.
„Na, du geiles Stück, wie hat dir denn der Film heute Abend gefallen?“, fragte eine Stimme. Ich legte sofort auf.
Als mein Handy ein paar Minuten später noch einmal klingelte, hob ich wieder ab, wild entschlossen, mir dieses Mal den Text dieses Verrückten anzuhören. Ich fürchtete mich nicht wirklich vor dem perversen Anrufer. Meine Wohnung lag im sechsten Stock. Ich hatte eine Sicherheitstür. Außerdem war ja auch noch Orlando da.
Ich drückte auf die Lautsprecher-Taste, damit er mithören konnte.
„Möchtest du mein Messer in deiner Fotze spüren, du kleines Luder?“ Weniger seine ordinären Worte, sondern eher das irre Kichern, das seine Beschimpfungen begleitete, verursachte mir eine Gänsehaut. „Treibst du’s mit beiden? Bläst du dem feschen Tony einen, während dich der Schwuli in den Arsch fickt?“
Ich drückte auf „Gespräch beenden“.
„Arschloch“, lautete Orlandos Kommentar. Ihn schienen diese ordinären Anrufe nicht besonders zu beeindrucken. Im Gegenteil, als mein Telefon ein drittes Mal klingelte, sagte er völlig cool: „Heb einfach nicht mehr ab.“
Ich hob wieder ab und schrie: „Du verdammtes Schwein wirst bald hinter Schloss und Riegel sein!“
„Katharina, Liebling, was ist los mit dir?“, fragte Tony mit samtiger Stimme.
Ich zog mich mit dem Handy in meine Schlafnische zurück. Orlando hatte den Fernseher eingeschaltet und sah sich die Wiederholung einer uralten Screwball-Komödie an. Der Ton war so laut, dass ich kaum verstand, was Tony sagte.
„Leiser“, schrie ich. „Nicht du! Orlando ist anscheinend schwerhörig.“
Ich erzählte Tony von dem dritten Mord im Filmcasino. Schilderte ihm den Zustand der Leiche und den Schock, den wir hatten. Er schien sich nicht besonders dafür zu interessieren, sondern
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