Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Leuten, die vor laufender Kamera unbedingt ihren niedrigen IQ beweisen müssen.“
„Die sind auch wichtig fürs Geschäft. Hast du das denn noch immer nicht kapiert?“
„Okay. Aber meinen diese Journalisten wirklich den Fünften? Bestimmt hatten sie bei ihren Recherchen nur das Grätzl um den Margaretenplatz im Auge. Vor Kurzem war ich drüben in der Reinprechtsdorfer Straße und am Siebenbrunnenplatz. Dort sieht’s ein bisschen anders aus. Aber auch das ist Margareten.“
„Natürlich. Aber dieses weltberühmte Architekten-Duo Coop Himmelblau ist eben ausgerechnet in diese Gegend gezogen. Das hat bestimmt viele andere Künstler angezogen.“
„Künstler stehen eben auf dörfliches Ambiente“, warf ich ironisch ein. „Auch wenn das mitten in der Stadt paradox klingt, denn außer ein paar zweistöckigen Biedermeierhäuschen und ein paar begrünten Innenhöfen hat Margareten nun wirklich nicht viel Dörfliches. Außer, wenn du den alten Traktor unseres Chefs und die Kräutergärten im Schlossquadrat dazurechnest. Geh mal raus auf den Margaretner Gürtel oder in den Gemeindebau in der Arbeitergasse …“
„Kreative Menschen schätzen halt die Nähe zum Naschmarkt und vor allem die Kontraste im 5. Hieb. Wusstest du, dass der Fünfte der billigste Bezirk innerhalb des Gürtels ist? Außerdem gibt es noch viele kleine Läden und Beisl wie zum Beispiel Fredis Feuerhalle …“
„Der Naschmarkt ist mittlerweile zur Seitenblicke-Meile verkommen. Welche gestandenen Wiener gehen denn dort noch einkaufen? Außerdem gehört der Naschmarkt nicht zum Fünften. Ich steh mehr auf den winzigen Waschsalon am Margaretenplatz und auf die kleinen Internet-Shops und Fast-Food-Lokale in der Pilgramgasse, die fast immer offen haben. Die erinnern mich an New York.“
„Du bist und bleibst ein verdammter Snob, Kafka!“
„Wie du meinst“, sagte ich und ließ den Snob einfach auf mir sitzen. Ich fand es sinnlos, weiter mit ihm über die Entwicklung von Margareten zu diskutieren. Wir hatten eben unterschiedliche Standpunkte.
Nachdem ich den FALTER von vorn bis hinten gelesen hatte, rief ich Dr. Mader an. Fragte ihn, ob er mich heute irgendwann einschieben könne. Er gab mir einen Termin am späten Nachmittag.
Inzwischen war auch eine Nachricht vom Kommissariat in der Viktor-Christ-Gasse auf meiner Mailbox eingegangen. Ein überraschend freundlicher Polizeibeamter bat mich, kurz bei ihnen vorbeizuschauen und eine Aussage zu machen. Bestimmt ging es um Orlandos Alibi. Ich rief sofort zurück.
Kaum hatte ich aufgelegt, rief mich Tony Meyers an. Er wollte wissen, ob er etwas falsch gemacht hätte, weil ich letzte Nacht am Telefon so abweisend gewesen wäre.
Ich erzählte ihm von Orlandos Verhaftung. Tony schlug vor, uns nach meinem Besuch auf dem Kommissariat zu treffen.
„Nicht im Cuadro“, sagte ich. Meine Kollegen würden mich nachher sicher auf der Schaufel haben. Deshalb schlug ich das Haasbeisl als Treffpunkt vor.
Meine Aussage auf dem Kommissariat nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Ich bestätigte, dass Orlando während der Vorstellung nicht von meiner Seite gewichen war. Sie fragten, ob ich sonst irgendwas Auffälliges bemerkt hätte. Ich wiederholte, dass wir ein paar Reihen vor dem Mordopfer gesessen waren.
Zum Glück traf ich mit Tony vor der Tür des Haasbeisl zusammen. Er umarmte mich stürmisch, küsste mich auf den Mund. Auch bei Tisch konnte er seine Hände nicht von mir lassen. Ich schob sie immer wieder weg. Doch er ließ sich nicht davon abhalten, meinen Nacken und meine Arme zu streicheln. Mein Nacken war meine geheime erogene Zone. Wie hatte er das bloß so schnell herausgefunden? Schließlich war ich kein süßes, kleines Kätzchen.
Tony war genauso alt wie ich, sah aber ebenfalls um zehn Jahre jünger aus. Seine dunklen dichten Brauen bildeten einen reizvollen Kontrast zu seinen hellbraunen Augen, und sein sinnlicher Mund versprach nicht nur Wonnen für eine Nacht. Ich würde höllisch aufpassen müssen, mich nicht in ihn zu verlieben.
Leise berichtete ich ihm von dem gestrigen Abend. Als ich ihm die Leiche der erdrosselten polnischen Künstlerin im Filmcasino beschrieb, wurde er kreidebleich. „Bitte, Katharina, erspare mir die Details!“
Am Nebentisch saß ein junger Mann mit einem Kindergesicht und löffelte eine Suppe. Er war mittelgroß und ziemlich mollig. Seine Gliedmaßen waren rund, seine Hände plump. Auf seinem bartlosen Kinn klebte Sellerie. Sein stechender Blick war mir
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