Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
mir.
Ich blickte ihn irritiert an. Hatte er sich womöglich mit einem Knastbruder eingelassen? Inzwischen traute ich Orlando so ziemlich alles zu.
„In wen? Sag schon. Spann mich nicht auf die Folter.“
„In einen Polizisten!“
„Bist du jetzt völlig verrückt geworden? Hast du nicht unlängst behauptet, du würdest den Bullen lieber aus dem Weg gehen?“
„Ja, den meisten. Aber es gibt Ausnahmen.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu und flüsterte mir ins Ohr: „Ich habe letzte Nacht einen wirklich tollen Mann kennengelernt. Gebaut wie ein Adonis, Schultern wie ein Schwimmer, eine Wespentaille wie Sisi, und sein Schwanz ist bestimmt auch riesig …“
„Orlando, bitte!“
„Und er ist schwul! Ein schwuler Wiener Bulle! Der helle Wahnsinn, oder?“
„Ich hab gedacht, du liebst den Bernd Schlacher“, murmelte ich.
„Das ist meine wahre Liebe“, sagte Orlando todernst. „Aber er will mich ja nicht. Also muss ich mich mit anderen trösten.“
Dieser logischen Erklärung hatte ich nichts entgegenzusetzen. Zum Glück kehrte nun Tony an unseren Tisch zurück. Orlando benahm sich ihm gegenüber wie ein eifersüchtiger Ehemann. Als sich auch Helmut Schramm wieder zu uns gesellte, wurde Orlando richtig grantig.
„Nie kann man sich mit dir in Ruhe unterhalten. Musst du denn dauernd deinen ganzen Harem mitschleppen“, zischte er mich leise an.
Georg Haas brachte das Beuschl für Herrn Schramm. Orlando wurde leicht hysterisch. „Wie können Sie so was essen“, fragte er mit schriller Stimme. „Nicht nur ich, auch Kaiserin Sisi war Vegetarierin“, teilte er uns lautstark mit.
„Wer’s glaubt, wird selig“, warf ich ein. „Soviel ich weiß, ernährte sie sich vor allem von Kalbsbrühe. Angeblich ließ sie Unmengen von frischem Kalbsfleisch auspressen und trank den puren Fleischsaft – sozusagen eine Fleischblut-Diät.“
„Warum musst du sie immer runtermachen? Sie hatte für Zigeuner viel übrig, ließ sie bei ihren Festen in Ungarn immer aufgeigen. Das weiß ich aus den Sisi-Filmen.“
„Sei nicht so teppert, Orlando!“, seufzte ich.
„Wenn Sisi heute leben würde, wäre sie garantiert Vegetarierin“, sagte er trotzig.
Ich ließ ihn in dieser unsinnigen Diskussion das letzte Wort behalten. Entschuldigte sein unmögliches Verhalten mit seinem Gefängnisaufenthalt.
Georg fragte Orlando, ob er Apfelspalten wolle.
„Ja, bringen Sie ihm eine Portion gebackene Apfelspalten“, sagte ich energisch und tippte mir heimlich mit dem Zeigefinger auf die Stirn.
„Das habe ich gesehen, Katharina“, schrie Orlando nun mich an.
„Lass es gut sein“, sagte ich und verabschiedete mich von Tony, der vorgab, einen Termin mit einem Kunden zu haben. Offensichtlich hatte er sich in unserer kleinen Runde nicht recht wohl gefühlt. Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken. Kommerzialrat Schramm hatte ihn ignoriert, Orlando hatte ihm nur giftige Blicke zugeworfen.
Georg Haas war es inzwischen gelungen, Orlando zu beruhigen. Ich hörte meinen Freund gnädig sagen: „Na gut, dann probier ich halt mal Ihre gebackenen Apfelspalten.“
„Allein diese Apfelspalten mit Zimtpartfait sind den Weg ins Haasbeisl wert“, begann Orlando nach dem ersten Bissen zu schwärmen. „Aber ihr Fleischfresser könnt diese Delikatesse sicher nicht würdigen!“
Nach dem Essen ging er auf die Toilette. Ich nützte die Gelegenheit und fragte Helmut Schramm, ob er Tony Meyers näher kennen würde. Ihm schien die Frage gleich peinlich zu sein wie mir. Er antwortete erst nach einer Weile. „Es geht mich natürlich nichts an, aber Ihr Freund war vor Kurzem mit der jungen Frau, die im Filmcasino so grausam ermordet worden ist, bei mir im Geschäft. Verzeihen Sie mir, aber die beiden haben wie ein Liebespaar auf mich gewirkt.“
Ich hoffte, es war mir nicht anzumerken, wie sehr ich erschrak. Zum Glück kam gerade Orlando von der Toilette zurück und kreischte so laut, dass es jeder im Lokal hören konnte: „Diese Klos sind ja viel geiler als die verspiegelten Toiletten im Motto.“
Georg Haas freute sich über Orlandos Begeisterung. Erzählte ihm, dass er sie gemeinsam mit einem Künstler gestaltet hätte.
„Dieses Kunstwerk muss ich mir auch mal aus der Nähe ansehen“, sagte ich. Mich beschäftigte weniger die extravagante Dekoration der Toiletten, ich brauchte vielmehr ein bisschen Ruhe, um nachdenken zu können. Warum hatte Tony mir nicht erzählt, dass er mit dem dritten Mordopfer befreundet gewesen war?
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