Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Erstens wusste er, dass ich mich für die Morde interessierte. Zweitens müsste er eigentlich trauern, wenn er in diese polnische Künstlerin verliebt gewesen war.
Als ich das Damenklo verließ, stieß ich im Vorraum mit dem Milchgesicht, das mich die ganze Zeit über so lüstern angestarrt hatte, zusammen. Es war zwar wirklich etwas eng im Vorraum, doch er hätte meinen Busen trotzdem nicht unbedingt berühren müssen.
„Finger weg“, fauchte ich ihn an.
Er grinste doof. Als ich mich umdrehte, spürte ich seine Hand auf meinem Hintern. Blitzschnell drehte ich mich um und verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. Dann schrie ich „Georg!“
Als der Wirt hereinstürzte, stieß ihn der junge Mann zur Seite. Georg erwischte einen Zipfel von seinem Sakko. Der Typ entledigte sich in Windeseile seines Sakkos und rannte an uns vorbei zur Tür hinaus. Mir fielen seine riesigen Schuhe auf. Knallrot und sehr bequem aussehend.
„Um Himmels willen“, schrie ich: „Das ist dieser Vergewaltiger!“
Helmut Schramm sprang sofort auf und lief dem Kerl hinterher. Leider kehrte er nach ein paar Minuten allein zurück.
„Er ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Ich sah ihn gerade noch in die Ziegelofengasse einbiegen. Als ich an der Ecke angelangt war, sah ich keine Menschenseele mehr“, sagte Herr Schramm.
„Vielleicht wohnt er dort drüben?“, meinte ich. „Meine Kollegen im Gergely’s haben mir erzählt, dass vor den Werkstätten der VHS Stöbergasse manchmal ein komischer Typ herumschleicht. Ihre Beschreibung passt genau auf diesen Spinner. Lasst uns die Polizei verständigen.“
Orlando bat mich, die Polizei aus dem Spiel zu lassen. „Du hast nur einen vagen Verdacht. Mach dich nicht lächerlich. Die Bullen glauben dir ohnehin kein Wort.“
Herr Schramm hatte zwar nichts dagegen, die Polizei anzurufen, ich sah ihm jedoch an, dass auch er meine Reaktion für übertrieben hielt.
„Was ist denn wirklich passiert, Katharina?“, fragte mich Georg Haas.
„Im Prinzip gar nichts. Er hat nur meinen Busen und meinen Hintern betatscht. Aber darum geht’s nicht. Deswegen würde ich sicher nicht die Polizei rufen. Ich habe ihm eh eine geknallt. Aber diese roten Schuhe, die er anhatte, waren eindeutig Trippen-Schuhe von Vega Nova. Und zwar in Übergröße. Ich muss sofort rüber zu Herrn Pogats. Diesem Milchgesicht sind die Schuhe bestimmt viel zu groß. Männer seiner Größe haben nicht Schuhnummer 48“, sagte ich. „Sie sahen aus wie Clownschuhe, findet ihr nicht?“
Georg Haas und die anderen Männer schauten mich an, als wäre ich eine arme Irre. Rasch erzählte ich ihnen von Stefan Grünbecks Heldentat am Faschingdienstag.
Georg hielt mir das dunkelbraune Sakko, das er erbeutet hatte, hin und fragte: „Soll ich das jetzt am Flohmarkt verkaufen, um seine Zeche wieder reinzubringen?“
Ich nahm ihm die Jacke ab. Schaute mir das Markenschild an.
„Oh la la, Vergewaltiger tragen heutzutage Designermarken“, sagte ich.
Helmut Schramm schwieg schon seit einer ganzen Weile. „Ich glaube, ich habe diesen Kerl schon mal gesehen“, sagte er plötzlich. „Er treibt sich manchmal mit einer Gruppe junger Rechtsradikaler bei uns drüben im Siebenbrunnenviertel herum. Aber er dürfte eher ein Mitläufer sein. Die blöden Sprüche führen eher die anderen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er diese Frauen auf dem Gewissen hat. Ich halte ihn eher für etwas minderbemittelt.“
„Alle Mordopfer waren ausländischer Abstammung, vergessen Sie das nicht“, sagte ich.
Orlando und ich verließen gemeinsam das Haasbeisl. Kaum waren wir allein, sagte er: „Dein schöner Tony ist dieser Womanizer, von dem ich dir letztens erzählt habe. Er hatte sowohl mit Vera Navratil als auch mit Ilona eine Affäre. Ich habe ihn sofort wiedererkannt. Soviel ich gehört habe, hat er beide Mädels ziemlich abgezockt. Außerdem glaube ich, dass er der Typ war, den ich mit Anja im Motto gesehen habe. Aber du hast ja meine Blicke nicht kapiert, warst total hingerissen von diesem Schönling.“
Ich schwieg betreten. Wenn es stimmte, dass Tony mit allen drei Mordopfern ein Verhältnis gehabt hatte, war höchste Alarmstufe angesagt. Dann hatte er sich sicher nicht aus reiner Begeisterung für meine schönen Augen an mich rangemacht.
„Womanizer sind keine typischen Frauenmörder“, murmelte ich. „Das sind normalerweise Männer mit viel Charme, die es nicht nötig haben, Frauen mit Gewalt zu nehmen oder sie gar
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