Schön und ungezähmt
einfach da. Auf seinem wettergegerbten Gesicht zeichnete sich ein argloser Ausdruck ab.
Ach verdammt, dachte Robert. Er tadelte sich spöttisch, dass er es doch genauso gut einfach aussprechen konnte. »Es gibt da jemanden. Eine junge Frau.«
»Meine Güte, Robbie. Ich bin nicht überrascht. Bei dir geht es immer um eine Frau.«
»Nein«, erwiderte Robert knapp. »Nicht um Frauen wie sie.«
»Das habe ich schon begriffen. Verzeih die spöttische Bemerkung. Sprich weiter.Was ist mit dieser jungen Lady?«
»Sie ist unverheiratet.«
»Ich verstehe.« John wirkte ein wenig amüsiert. »Manche von ihnen sind unverheiratet.«
Das war einfach närrisch. Warum dachte er überhaupt noch an sie? An Rebecca Marston, deren Vater ihn am Ohr aus seinem Haus schleifen würde, nachdem ihre Mutter in Ohnmacht gefallen war, weil er auf ihrer Treppe auftauchte? »Sehr unverheiratet«, protestierte er und rieb sich am Kinn.
»Ich wusste ja nicht, dass es für diesen Zustand Abstufungen gibt. Aber mach nur weiter. Da draußen gibt es also eine sehr unverheiratete junge Lady. Warum bringt sie dich an diesem düsteren Abend in mein Wohnzimmer?«
»Ich weiß nicht, warum ich hier bin.«
»Ich verstehe. Darf ich dann eine Vermutung anstellen?«
Robert lachte. Es war ein erstickter Laut der Zustimmung, und John runzelte die Stirn. »Ich würde sagen, diese junge Lady hat dein Interesse geweckt, und du kannst sie dir einfach nicht aus dem Kopf schlagen, obwohl du ja durchaus gewillt bist, diese Gefühle zu ignorieren. Und da eine unverbindliche Verführung nicht zur Debatte steht – denn wenn es so wäre, würden wir dieses Gespräch nicht führen -, bist du zum ersten Mal in deinem Leben gezwungen, dich zu fragen, ob eine dauerhafte Bindung wirklich so beängstigend ist, wie du immer gedacht hast.«
Robert erwiderte schärfer als beabsichtigt: »Beängstigend? Entschuldige, wenn ich dir deine Wortwahl verüble. Ich glaube nicht, dass ich ein Feigling bin.«
»Ah, Robbie, mein Junge, die Ängste des Einzelnen verschwinden nicht einfach, sobald er zum Mann wird.« John betrachtete nachdenklich die abgestoßene Spitze seines stumpfen, unpolierten Stiefels. »Wir werden von unseren Gefühlen unser
ganzes Leben lang herausgefordert. Ich glaube, nur wenige Leute, die dich gut kennen, sind sich nicht deiner Skepsis bewusst, die jede emotionale Bindung mit sich bringt. Du warst jung, als dein Vater diese Welt so völlig unerwartet verließ. Die Blicke aller konzentrierten sich auf Colton, weil er sich mit der Pracht und Verantwortung seines Titels herumschlagen musste. Er hatte das Bedürfnis, schon bald ein respektables Verhalten an den Tag zu legen, vielleicht sogar in einem Maße, das für einen Mann von nur zwanzig Jahren nicht notwendig war. Damien wurde zudem der direkte Erbe des Herzogtums. Er lernte, damit umzugehen, indem er sich in die Ränke des Kriegs stürzte, sobald sich ihm die Gelegenheit bot. Du allerdings hast entschieden, dein Leben zu genießen, ob es nun Frauen, Wein oder ein kleines Würfelspiel war. Ihr seid nur alle drei dem einst gewählten Weg etwas zu gehorsam gefolgt.«
Die Einschätzung war nicht gerade schmeichelhaft, aber durchaus aufschlussreich. Robert verschluckte sich fast am Wein. »Ist das so?«
»Du bist hergekommen, um meine Meinung zu hören, stimmt’s?« In Johns Augen blitzte ein wohlwollendes Vergnügen auf. »Warum erzählst du mir nicht, wer diese junge Dame ist, die endlich an deinem sonst so ungerührten Herz rührt?«
Lieber Himmel, es widerstrebte ihm, davon zu erzählen. Aber in Robert war auch die wachsende Angst erwacht, er könnte sich für den Rest seines Lebens daran erinnern, wie sich ihre Lippen anfühlten, als sie sich unter seinen öffneten. Wie sie so vielsagend nach Luft schnappte.
Ich habe Euretwegen nicht geheiratet …
Mehr als alles andere wünschte er, sie hätte ihm das nie erzählt. Vielleicht hätte er dann einfach gehen können.
Aber dafür war es nun zu spät. Er wusste es, und überdies wusste sie , dass er es wusste.
»Rebecca Marston«, gestand er schweren Herzens. »Die Tochter von Sir Benedict Marston.«
Der alte Freund seines Vaters lehnte sich zurück, das Glas vergessen in seiner Hand. Nach kurzem Schweigen bemerkte er: »Ich glaube, jetzt verstehe ich dein Problem. Ich kenne ihn ziemlich gut. Benedict ist kein sonderlich flexibler Mann, und ich weiß, dass er schlecht von dir denkt.«
»Glaub nicht, ich sei mir dessen nicht bewusst«, erwiderte
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