Schön und ungezähmt
tüchtig, und die Kinder lieben sie. Erst, wenn du bei uns vorsprichst, erinnert sie sich plötzlich wieder daran, dass ich die Schwester einer Duchess bin.«
Brianna zwang sich zu einem abwesenden Lächeln. »Was für ein Glück, dass du sie hast. Erzähl, wie geht es den Kindern?«
Das war eine Frage, die immer eine wahre Litanei an Beschreibungen ihrer verschiedenen Heldentaten hervorrief, aber Brianna vergötterte ihre Nichten und ihren Neffen, darum hörte sie den unterhaltsamen Geschichten gern zu. Aber an diesem besonderen Morgen musste sie zugeben, dass sie abgelenkt war.
»… fand es unter dem Bett. Ausgerechnet! Bri, hörst du mir überhaupt zu?«
»Natürlich«, erwiderte sie automatisch, aber unter Leas prüfendem Blick fügte sie mit einem Seufzen hinzu: »Wahrscheinlich nicht so aufmerksam, wie ich sollte.Verzeih.«
Sie saßen im »offiziellen« Salon ihrer Schwester, doch war der Raum mit den mit Chintz bezogenen Sesseln und bestickten Kissen äußerst gemütlich eingerichtet. An den Wänden hingen einige Aquarelle, die ihre Schwester kürzlich gemalt hatte. Lea stellte ihre Teetasse beiseite. »Ist etwas nicht in Ordnung? Du hast gesagt, die Hausparty in Rolthven war ein Erfolg. Wenn man von den Kommentaren in der Zeitung ausgeht, scheint dir darin
jeder zuzustimmen. Ich wünschte, Henry und ich hätten dabei sein können.«
»Es war schön. Ich glaube wirklich, die Gäste haben es genossen. Sogar Colton hat sich entspannt.« Brianna betrachtete schlecht gelaunt den Boden ihrer Teetasse. »Wenigstens war das der Eindruck, den ich hatte. Jetzt verhält er sich allerdings vollkommen anders.«
Das stimmte. Seit ihrer Rückkehr hatte er sich mehr in seine Arbeit vertieft als zuvor. Rückblickend war es ein Fehler gewesen, ihm ihre wahren Gefühle zu offenbaren. Sie hätte ihm nie sagen dürfen, dass sie ihn liebte. Damit hatte sich alles verändert, obwohl sie hätte schwören können, die einfachen Worte hätten ihn in jenem Augenblick bewegt. Sicher, der Kuss, den sie danach teilten, war lang und hart gewesen, und sein Liebesspiel gleichermaßen zärtlich und eindringlich. Aber vielleicht hatte sie körperliches Begehren als eine emotionale Antwort missverstanden.
»Definiere ›anders‹.« Lea runzelte besorgt die Stirn. »Ich kann jedenfalls sehen, wie sehr du dich sorgst.«
»Es ist schwer zu beschreiben. Er ist … distanziert.«
»Mehr als sonst?«
Das ließ sie ironisch lächeln. Ja, die förmliche Fassade, die Colton der Welt präsentierte, vermittelte tatsächlich den Eindruck von herzoglicher Würde und nicht von gelassener Wärme. Aber sie wusste aus erster Hand, dass er zu beidem fähig war. »Ja. Definitiv mehr als sonst. Es kann auch sein, dass er einfach mehr zu tun hat, nachdem er die paar Tage, zu denen ich ihn gezwungen hatte, auf dem Land war. Aber er ist seitdem nicht …«
Sie verstummte, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Unerwartet stiegen Tränen in ihre Augen, und sie blickte aus dem von Regentropfen überzogenen Fenster.
»Was ist er nicht?«
Schluchzen verengte ihre Kehle, und sie würgte mühsam hervor: »In mein Bett gekommen.«
»Ich … verstehe.« Lea wirkte verblüfft. »Ich nehme an, das ist ziemlich außergewöhnlich.«
»Allerdings.« Brianna blinzelte einige Male und verfluchte sich innerlich für ihre vollkommen überzogene Reaktion. Schließlich straffte sie sich. »Wenn Henry sich so verhalten würde, was würdest du dann tun?«
»Ihn frei heraus fragen, natürlich. Aber mein Henry ist nicht dein Duke, Liebes. Ich bezweifle, dass Northfield daran gewöhnt ist, wenn die Leute seine Handlungen hinterfragen, und das gilt auch für seine Frau.« Lea fuhr mit dem Finger über die Armlehne ihres Sessels. Sie wirkte nachdenklich. »Das muss keine Bedeutung haben, außer vielleicht die, dass du zu empfindlich bist. Auch Männer haben ihre Launen, und jede Ehe macht Jahreszeiten durch, wie die Natur.«
»Oder er könnte eine Mätresse haben«, sprach Brianna ihre schlimmste Befürchtung aus. »Ich habe alles getan, um das zu verhindern, aber …«
Als sie leise aufschluchzte, blickte Lea sie mit offener Neugier an. »Was hast du getan?«
»Ach, egal.« Brianna stand auf und stellte ihre Teetasse mit lautem Klirren beiseite. So war sie doch sonst nie, so weinerlich und grundlos emotional. Lady Rothburgs Ratgeber hatte doch funktioniert – das hätte sie schwören können. »Ich sollte vielleicht einfach meine Besorgungen machen.«
Die
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