Schön und ungezähmt
nicht sicher, was den genauen Tagesablauf der Duchess betrifft. Die üblichen Dinge, die eine Frau wohl tut, vermute ich.« Das stimmte. Er hatte keine Übersicht, wohin sich seine Frau im Laufe des Tages begab; ganz im Gegenteil. Seit nicht nur das Auskommen seiner Familie, sondern auch vieler anderer Menschen von ihm abhing, konzentrierte Colton einen Großteil seiner Aufmerksamkeit auf die Arbeit. Brianna war oft unterwegs, sie kaufte ein oder besuchte Freunde, und sie betrieb zudem einige Wohltätigkeitsarbeit in diversen Waisenhäusern, für die er ihr zusätzliches Geld zur Verfügung stellte. Der Tag gehörte ihr, und die einzige Zeit, die ihnen gemeinsam blieb, waren
die Abende. Auch dann verbrachte er oft genug seine Zeit im Club. Es war ein absolut normales Arrangement für ein Paar ihres Stands.
Kein Wunder, dass so viele Männer und Frauen die Gelegenheit für unverbindliche Affären fanden.
»Ich verstehe. Es wäre hilfreich, aber es ist keine Bedingung. Mein Mann wird schon bald die Gewohnheiten Ihrer Gnaden herausfinden.« Hudson kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. Seine Miene war ausdruckslos.
»Ich bin nicht mal sicher, ob sie Gewohnheiten hat«, verteidigte Colton seine Frau, obwohl er, wenn man es genau nahm, ihr Ankläger in dieser Sache war. »Jedenfalls nicht solche wie die, auf die Ihr anspielt. Es gab nur hier und da Situationen, in denen ich von ihren Handlungen überrascht war. Das ist alles.«
»Überrascht? In welchem Sinne?«
Ja, überrascht. Er musste sich den unwiderlegbaren Tatsachen stellen. Da er von Natur aus methodisch veranlagt war, hatte er sich sogar hingesetzt und eine Reihe Gründe niedergeschrieben, warum er begonnen hatte, sich zu sorgen.
Es hatte mit diesem teuflisch provozierenden Kleid begonnen, das sie in der Oper getragen hatte. Das war der Anfang der Veränderungen ihres Verhaltens gewesen, hatte er rückblickend festgestellt. Sie hatte im Schlafzimmer ein erstaunlich schnell wachsendes Selbstbewusstsein entwickelt und Dinge gemacht, von denen er sich nicht hatte vorstellen können, dass eine wohlerzogene junge Lady sie sich ausdenken konnte.Verdammt, sie hatte ihn ans Bett gefesselt und mit der Hand zum Höhepunkt gebracht, und dann hatte sie sich auf ihn gesetzt und ihn geritten, als wüsste sie genau, was sie tat.
Er hätte sie bestimmt nie in dieser Stellung geliebt. Oder vorgeschlagen,
dass sie ihren Mund auf seinen Schwanz legte. Dann noch die anzügliche Unterwäsche, die für eine anfangs so unschuldige junge Frau, die behütet aufgewachsen war, so völlig untypisch war. Er sollte verdammt sein, aber es war eine Qual, mit ihr in der Öffentlichkeit zu sein, wenn er wusste, dass sie diese zarten, verlockenden Kleidungsstückchen unter ihren Roben trug.
In den ersten wenigen Monaten ihrer Ehe war sie genau so gewesen, wie er es erwartet hatte. Im Bett schüchtern, unsicher und am nächsten Tag fast immer ein bisschen verlegen.
Etwas hatte sich seitdem verändert. Er musste sich den Tatsachen stellen. Seine Frau liebte ihn jetzt wie eine Kurtisane, und sie war in diesen Fähigkeiten bestimmt nicht von ihm unterwiesen worden.
Männer bemerkten sie. Wollten sie. Sie war schön und besaß diese gewisse Lebendigkeit, die nicht unbeachtet blieb.
Hatte sie es deshalb bisher vermieden, ihm von ihrer Schwangerschaft zu erzählen? Bisher hatte sie noch nicht mal von der Möglichkeit einer Schwangerschaft gesprochen.
Vielleicht war das Kind nicht seins.
Lieber Gott, wie sehr der Gedanke ihn folterte. Es hatte nichts mit der Abstammungslinie seiner Familie zu tun, nichts mit seinem verfluchten Geld oder seinem verdammten Titel. Die Vorstellung, wie sie in den Armen eines anderen Mannes lag … Er konnte es nicht ertragen. Konnte sie ihm auf so liebevolle Art eine Liebeserklärung machen und ihn zugleich dennoch betrügen?
Nein, das glaubte er wirklich nicht. Aber er musste es einfach wissen.
Doch das würde er Mr. Hudson von Hudson and Sons, Recherchedienst,
kaum erzählen. Nicht, um seinen eigenen Stolz zu schützen, sondern weil er um nichts in der Welt Brianna in Verlegenheit bringen wollte. »Das ist privat«, erwiderte er kurz und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet.
Wenn Mr. Hudson den Eindruck hatte, Colton würde die Ermittlungen behindern, war er zu diplomatisch, es auszusprechen. »Kaum. Eine Beschreibung ihres Aussehens wäre hilfreich, zumal Euer Haushalt von beträchtlicher Größe ist und sicher ein ständiges Kommen und Gehen
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