Schön und ungezähmt
abgenutzt. Zumindest war Elises’ Kommentar
schmeichelhaft gewesen, und er hatte auch seitdem nie Klagen gehört. Tatsächlich war seine Bekanntheit unter den Schönen der Gesellschaft für einen Mann, der die Frauen weidlich genoss, durchaus komfortabel.
Zumindest, wenn man von kleinen Zwischenfällen wie dem heute Abend absah. Maria Hamptons Mutmaßung, er würde einen Freund betrügen, um sich einem ungezwungenen Abenteuer hinzugeben, kränkte ihn.
»Ich hatte bloß den Eindruck, Euch könne meine Gesellschaft missfallen«, sagte er sanft.
»Das tut mir leid.«
Angesichts ihrer schüchternen Entschuldigung wurde Robert bewusst, dass er die Stirn runzelte. Er blickte in das ihm zugewandte Gesicht der Dame und bemerkte die hektischen roten Flecken, die sich auf ihren Wangen ausbreiteten und sogar im schwachen Mondlicht zu erkennen waren. Bewusst schüttelte er das Bild von Lady Hampton ab, die sich an ihn klammerte. Er lächelte. »Was tut Euch leid?«
»Ich … ich weiß es nicht«, gestand sie und wurde noch röter.
Wer sie auch war, sie war auf jeden Fall sehr attraktiv, befand er. Nicht schön wie Brianna mit ihrem glänzenden, goldenen Haar und dem perfekten, herzförmigen Gesicht, aber doch sehr bezaubernd.
Rebecca Marston. Der Name tauchte plötzlich mit aller Deutlichkeit auf. Sie war eine der Unvergleichlichen des letzten Jahres, die es abgelehnt hatte, eine Ehe einzugehen, und war damit für jene Männer, die um eine Frau warben, um sie zu heiraten – was auf ihn nicht zutraf -, in dieser Saison die Herausforderung schlechthin. Ihr wohlhabender Vater war einer der einflussreichsten Männer der britischen Politik, und es gab Gerüchte, er habe
durchaus Chancen, eines Tages zum Premierminister ernannt zu werden.
Der Mann verabscheute ihn. Robert wusste das nur allzu gut. Dass er des Verbrechens, dessen man ihn bezichtigte, nicht schuldig war, half in dieser Sache nicht viel, denn Sir Benedict hatte ihm vernichtend deutlich gemacht, dass er von ihm das Schlimmste glaubte.
Vielleicht sollten er und Miss Marston sich nicht zusammen in einem dunklen Garten aufhalten. Robert öffnete den Mund, um sich zu empfehlen, als eine Stimme von der Terrasse herüberschallte und seine Vermutung bestätigte: »Miss Marston?«
Rebecca umfasste seinen Arm mit unmissverständlicher Eile. »Helft mir, mich zu verstecken.«
Seine Augenbrauen hoben sich. »Ihr wollt Euch verstecken?«
»Bitte!« Sie blickte sich um. Auf ihrem hübschen Gesicht las er eindeutig Panik. »Ich kann Lord Watts heute Abend nicht einen Moment länger ertragen. Ich fürchte, sonst zerbreche ich in winzigkleine Stücke.«
Robert kannte den Mann und empfand Mitleid, zumal er sich daran erinnerte, wie eilig sie es hatte, den Ballsaal zu verlassen. Da er kein Mann war, der einer Dame die rechtzeitige Flucht verwehrte, blickte er sich um und entdeckte einen kleinen Pfad, der vom Hauptweg abbog und zwischen die Hecken führte. »Dort entlang.«
Rasch bog sie auf den Weg ein und eilte vor ihm her. Obwohl es vernünftiger gewesen wäre, sie allein dem überaus langweiligen Viscount entkommen zu lassen, folgte Robert ihr amüsiert. Der Weg führte um einen kleinen Weiher, der mit Fischen und Seerosen bestückt war, und endete in einer winzigen Nische, die in die Hecke eingelassen war. Hier wurde eine Bronzestatue
von Pan mit seiner Flöte von zwei kleinen Bänken flankiert. An einem warmen Sommertag wäre dies bestimmt ein schöner Platz zum Sitzen.
Im Augenblick war der Ort schattig und abgeschieden.
Miss Marston blieb stehen und drehte sich um. Sie schaute über seine Schulter, ehe sie flüsterte: »Glaubt Ihr, er hat mich gesehen?«
Ob er uns gesehen hat, korrigierte eine pragmatische Stimme in Roberts Kopf. Allein mit ihr an einem dunklen Ort.
Was zum Teufel trieb er hier?
»Miss Marston?« Der Ruf wurde etwas mutiger. Und zu allem Unglück kam die Stimme näher. »Rebecca?«
Verdammt, es war wirklich zu dunkel, dass Watts sie hätte erkennen können, aber irgendwie musste er eine Bewegung wahrgenommen haben, die ihm verriet, welchen Weg sie genommen hatten.
Robert legte einen Finger auf seine Lippen und nahm ihren Arm. Er zog sie zurück in die Schatten und drückte sie mit dem Rücken gegen die Hecke, während seine Hände links und rechts von ihren schlanken Schultern in die stacheligen Büsche griffen. Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn Ihr mitspielt, werde ich ihn los. Egal was Ihr tut, Ihr dürft nicht sprechen
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