Schön und ungezähmt
etwas Festliches, und Brianna war für das schöne Wetter dankbar. Es war für England ungewöhnlich, dass es so viele Tage hintereinander schön blieb. Neben ihr und Colton, Lord Emerson und der älteren Campbell-Schwester hatten sich auch Damien, Mrs. Newman, Arabella und ihr gut aussehender Mann, der Earl of Bonham, der Gruppe angeschlossen. Brianna war geradezu ausgehungert, nachdem sie zum Frühstück so wenig gegessen hatte, und als sie nach einem zweiten Stück Fleischpastete fragte, hoben sich Coltons Augenbrauen. Dennoch hielt er ihr hilfsbereit den Teller mit den Pasteten hin.
»Sie schmecken einfach köstlich«, brachte sie zu ihrer eigenen Verteidigung vor. Aber sie lachte auch. »Siehst du? Das beweist doch, dass ich mich inzwischen wieder erholt habe.«
»Sieht ganz so aus.« Er nippte an seinem Wein und beobachtete, wie sie recht unelegant die Krümel von ihren Fingern leckte. Ein halbes Lächeln hob seinen Mundwinkel, und seine azurblauen Augen wurden von Wimpern beschattet, die eigentlich zu lang waren, um an einen Mann verschwendet zu werden. Es war so warm, dass die meisten Herren ihre Jacketts abgelegt hatten.
Sogar Colton trug nur sein weißes, langärmeliges Leinenhemd zu Reithose und Stiefeln, und er unterstrich damit seine ungewöhnlich entspannte Haltung.
Er sah glücklich aus, befand Brianna. Das Sonnenlicht fiel durch das Blätterdach und sprenkelte die klare Linie seiner Nase und seines Kinns. Nein, vielleicht ging das zu weit, aber er sah auf jeden Fall zufrieden und entspannter aus, als sie ihn je erlebt hatte – außer in den Minuten, nachdem sie sich geliebt hatten. Brianna überlegte, ob sie noch einen Apfel essen sollte, entschied sich dagegen und bemerkte: »Das war überraschend lecker. Vielleicht ist es auch die frische Luft, die alles so gut schmecken lässt.«
»Vielleicht.« Colton streckte die Hand nach ihr aus. Mit einem Finger streichelte er ihren Mundwinkel. Es war eine überraschend intime Geste vor all den anderen. »Nur ein verirrter Krumen, meine Liebe. Wir können doch nicht jeden wissen lassen, dass du eine Vorliebe für Schweinepasteten entwickelst.«
»Ich habe auch zu viel gegessen«, sagte Belinda Campbell. Sie war eine hübsche, junge Frau mit funkelnden, dunklen Augen und einer kurvigen Figur. »Ich glaube, ich mache lieber einen kleinen Spaziergang.«
Lord Emerson konnte kaum den Blick von ihr lassen, als er auf die Füße kam und ihr seine Hand darbot. »Ein großartiger Vorschlag. Wollen wir?«
Arabella stieß ihren Mann in die Rippen, was er mit einem leisen Grunzen quittierte. »Lass uns da vorne zum Fluss gehen. Der heutige Tag ist so herrlich, und bald kommt der Winter. Ich hasse es, monatelang im Haus eingesperrt zu sein. Ich werde mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«
»Dann sollten wir auf jeden Fall mitgehen. Jedenfalls, wenn du
mich nicht zwischenzeitlich verletzt.« Lord Bonham rieb theatralisch seinen Bauch.
Damien und Mrs. Newman beschlossen, gemeinsam zurück zum Haus zu reiten. Nach wenigen Augenblicken waren Brianna und Colton recht einsam. Es war unglaublich, aber sie merkte, dass sie schon wieder schläfrig wurde.Vielleicht lag es an dem ganzen Essen; vielleicht war es auch der Wein, obwohl sie nicht so viel getrunken hatte.
»Ich glaube, ich muss gestern zu lange wach geblieben sein. Oder liegt es vielleicht daran, dass die Party sich dem Ende zuneigt und ich nicht mehr jede Einzelheit sorgfältig überwachen muss?«, murmelte Brianna. »Ich habe heute Morgen lange geschlafen, und dennoch könnte ich schwören, dass ich jeden Moment einnicke.«
»Wenn du ein Nickerchen machen möchtest, solltest du das auf jeden Fall tun. Hier.« Colton erhob sich mit einer fließenden Bewegung und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. »Darf ich Euch einen bequemen Schlafplatz darbieten, Mylady? Meine Schulter steht Euch als Kissen zur Verfügung.«
Brianna blickte auf seine ausgebreiteten Arme. Sie konnte es nicht glauben. Ihr strenger Mann, der nicht an öffentliche Zurschaustellung von Zuneigungen glaubte, bot sich ihr so an? Nun war Rolthven Park nicht gerade mit einer geschäftigen Straße im Zentrum Londons zu vergleichen, aber es war auch nicht die Intimität eines ihrer Schlafzimmer.
Aber wie konnte sie sich dieser höflichen Geste erwehren, selbst wenn er sich merkwürdig verhielt? Sie rutschte zu ihm hinüber, bis sie sich an seinen Schoß schmiegen konnte. Seine muskulöse Schulter war tatsächlich ein angenehmes
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