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SCHÖN!

SCHÖN!

Titel: SCHÖN! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Reinhard
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Bis die Massen ihrer irren Outfits überdrüssig werden, ist es nur eine Frage der Zeit.
    Hätten Gordon und Marcia Winship sich ein bisschen mit Kunstgeschichte ausgekannt, wären sie wahrscheinlich noch verheiratet. Sie hätten sich den ganzen Streit ersparen und sich darauf einigen können, dass Marcia es eben mehr klassisch mag (Greta Garbo: das wohlproportionierteste Gesicht Hollywoods!), während Gordon hoffnungslos der Magie verfallen ist (Donald: die gefühlsbetonteste Ente der Welt!). Zu spät …
    Die Lust am Schönen entsteht nicht durchs Rechthaben. Sie kann uns nur ergreifen, wenn wir uns mit dem Schönen – wo immer es uns begegnet – vertraut gemacht haben. Nur wenn wir die ganze Vielfalt von »schön« kennen, können wir unserem Sehsinn wirklich vertrauen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass uns herausragende ästhetische Qualitäten einfach entgehen. An anderen und uns selbst.
    Aber wozu sich zu sehr mit Äußerlichkeiten aufhalten … Kommt wahre Schönheit nicht von innen? Welche Rolle spielt die Seele, wenn es um Attraktivität und Verführung geht? → Kapitel 4

 
    »Schönheit ist nur ein Versprechen von Glück.«
    Stendhal
    Über die Kunst des guten Aussehens – Gebrauchsanweisung I
    Schönheit hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Sie ist nicht schön gleichmäßig unter den Erdenbürgern verteilt. Bei vielen ist Attraktivität eine Leistung (s. Kap. 1 ), bei manchen ein Geschenk der Natur. Ein Geschenk – oder eine Strafe. Es kommt ganz darauf an. Narziss zum Beispiel bekam sein skandalös gutes Aussehen ganz und gar nicht. Es verleitete ihn dazu, arrogant einen Verehrer nach dem anderen abzuweisen, sich in sich selbst zu verlieben und am Ende, in trauter Zweisamkeit mit seinem Spiegelbild, an einem Weiher zu verenden.
    Herausragende Schönheit zwingt ihre Umwelt zu zwei gegensätzlichen Reaktionen, die sich blitzschnell abwechseln können: Auf der einen Seite stehen Bewunderung und Bevorzugung, auf der anderen Neid und Eifersucht. Übermäßige Schönheit ist mit Vorsicht zu genießen. Sie ist nicht nur lieblich, sie kann auch sehr gefährlich sein. Sie hat die Macht, alles zu zerstören, was ihr in den Weg kommt: Ehen, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen, die Beziehung zu einem selbst. Und sie kann aus guten Menschen schlechte machen, wie die Ärztin und Psychoanalytikerin Edith Jacobson ( 1897 – 1978 ) aus Erfahrung wusste. Über ihre zu Untreue und Rücksichtslosigkeit neigenden superschönen Patientinnen schrieb Jacobson:
    »Mir fiel auf, dass die Schönheit dieser Frauen entweder katastrophale Auswirkungen auf ihr Umfeld hatte oder auf ihr eigenes Leben oder beides. … Während sich die Leute mit körperlichen Mängeln zu Unrecht beschuldigt oder bestraft fühlen und deshalb rebellieren müssen, fühlen sich die Schönen zu Unrecht gelobt und belohnt, weshalb sie sich dazu gezwungen sehen, die Welt herauszufordern und sich zu versündigen.«
    Aber auch schöne Sünderinnen werden ihrer Verfehlungen irgendwann müde. Und irgendwann merken sie, dass ihre Magie nicht mehr wirkt. Dass ihr phänomenales Äußeres nicht mehr ganz so phänomenal ist. Wenn Attraktivität ein Geschenk der Natur ist, dann eines mit ziemlich geringem Haltbarkeitsdatum. Wozu eigentlich die ganze Aufregung? Am Ende gehen auch den Schönsten die Haare aus. Zum Schluss treten auch bei ihnen die Adern hervor, und sind sie so krumm und faltig wie alle anderen auch. Mit dem Unterschied, dass sie mehr als andere an ihrem Verfall verzweifeln müssen. Bestes Beispiel hierfür ist Leinwandlegende Marlene Dietrich, die sich bis zu ihrem Tod 1992 gut zwölf Jahre lang weigerte, ihre Pariser Wohnung – genauer: ihr Bett – zu verlassen. Der Überzeugung: »I’ve been photographed to death« (»Ich wurde zu Tode fotografiert«) folgend, zog sie es vor, unbeobachtet zu altern. Um möglichst wenig auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, arrangierte sie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, eine Lupe, eine Kochplatte, Stifte, Taschentücher, Tabletten, Alkohol und alles andere, was sie brauchte (am meisten das Telefon), um ihre Schlafstätte herum. Entferntere Gegenstände zog sie mit einem Greifarm zu sich heran. Und das alles nur, weil sie einmal schön war …
    Attraktivität – mit allen Vor- und Nachteilen – ist nur bedingt käuflich. Der vernünftige Teil unseres Hirns weiß, dass Nasenkorrekturen und Markenkleidung keine Garantie für Schönheit sind. Und Schönheit keine Garantie für Glück. Der dominierende

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