SCHÖN!
Schellack gebanntes Funkeln noch lange, nachdem sie selbst erloschen sind. Die Berühmtesten unter ihnen betören uns mit einer Ausstrahlung, die nicht von dieser Welt zu sein scheint: Diven wie Marilyn Monroe, Liz Taylor, Romy Schneider und Elvis Presley. Sie faszinieren nicht nur durch das, was sie haben – Eros (s. Kap. 4 ), Talent, Persönlichkeit, Charisma –, sondern mindestens genauso durch das, was sie nicht haben: Bodenhaftung. Die Diva will lieber funkeln, als sich an kleinkarierte Regeln und Vorschriften zu halten. Alles an ihr ist unnormal, extraordinär, exzessiv: die chronische Unpünktlichkeit (Marilyn Monroe), das spontane Absagen von Bühnenauftritten (Maria Callas), der hohe Verschleiß an Ehemännern (Liz Taylor).
Wenn wir Normalsterbliche einmal angefangen haben, für eine Diva zu schwärmen, können wir meist nicht mehr damit aufhören. Wir halten ihr die Treue, in guten wie in schlechten Zeiten. Wer Elvis liebt, liebt nicht nur den bahnbrechenden hüftenkreisenden Rock-’n’-Roller mit dem Engelsgesicht der 1950 er-Jahre, sondern auch das fette Monster in den schauderhaften Ganzkörperanzügen der 1970 er-Jahre. Für den Fan behält Elvis seine Attraktivität auch dann, wenn er längst nur noch eine Witzfigur ist und seine musikalische Virtuosität in einem Cocktail aus Koffein, Codein und Schnulzensongs ertränkt hat. Elvis bleibt für ihn ein Gott, nicht obwohl, sondern gerade weil er am Ende so tief sinkt. Dieser Widerspruch zwischen göttlicher Größe und menschlichem Scheitern unterscheidet die Diva von einer regulären Celebrity . Die Diva ist eine fleischgewordene Paradoxie . Sie ist schön und hässlich, großartig und erbärmlich zugleich. Weil sie zwischen Triumph und Niederlage, Enthusiasmus und Verzweiflung hin und her schwankt. Weil sie, mangels Bodenhaftung, die Grenzen zwischen Schein und Sein, zwischen Leben und Tod komplett ignoriert.
Von durchgedrehten Borderlinern und dauerberauschten Lebenskünstlern
1961 schrieb Marilyn Monroe in einem Brief an ihren Schauspiellehrer Lee Strasberg: »… Ich hoffe, dass ich nun endlich bald ein Stück Boden unter den Füßen fühlen werde, statt des ewigen Treibsands.«
Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Im Jahr darauf starb sie, den Telefonhörer in der Hand und Unmengen von Chloralhydrat und Barbituraten im Körper. Doch Marilyns Stern leuchtet weiter – sein platinblondes Strahlen ist auf unzähligen Film spulen und Fotografien konserviert. Sie dokumentieren eine ma gische Präsenz, die durch atemberaubende Körpermaße, einen schwänzelnden Gang und eine hingehauchte Stimme allein nicht zu erklären ist. Was Marilyn magisch macht, ist vor allem ihre innere Ausstattung. Eine seelische Verfassung, die ihr einerseits zu Weltruhm verhalf – und die es ihr andererseits unmöglich machte, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Ohne die Zwangsläufigkeit, mit der sie erst wie Phönix aus der Asche stieg und dann steil abstürzte, wäre sie nie zur Diva geworden.
Marilyns Leben war alles, nur nicht öde. 1928 als Tochter einer geisteskranken Mutter und eines unbekannten Vaters in Los Angeles geboren, verlebt sie ihre trostlose Kindheit im Waisenhaus und bei diversen Pflegeeltern. Früh beginnt sie, als Fotomodell und Pin-up-Girl zu arbeiten. Sie färbt sich die Haare blond, nimmt Schauspielunterricht, bezirzt die richtigen Männer und ergattert einen Vertrag bei 20 th Century Fox. Zielstrebig dreht sie einen Film nach dem anderen und pflegt sorgsam ihr Image: der Vamp mit den riesigen Kinderaugen und den gleichermaßen riesigen Brüsten, dessen charakteristische Mischung aus Naivität, Scharfsinn und Empfindsamkeit bald dem ganzen Planeten den Verstand raubt. Je größer Marilyns Ruhm, desto massiver ihr Tablettenkonsum, desto heftiger ihre Liebe zum Dom Pérignon (den sie zärtlich »Dom« nennt). Mitte der 1950 er-Jahre beschließt sie plötzlich, eine seriöse Künstlerin zu werden. Sie unterzieht sich einer psychoanalytischen Dauerbehandlung, bildet sich an Lee Strasbergs legendärem Schauspielinstitut »Actor’s Studio« fort und heiratet (in dritter Ehe) den Dramatiker Arthur Miller, den berühmtesten amerikanischen Intellektuellen seiner Zeit. Es folgen die Scheidung von Miller, eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie sowie ein Techtelmechtel mit John F. Kennedy und seinem Bruder Robert. Die Produktion ihres letzten Films muss erst wegen ihrer vielen Fehltage und dann wegen ihres Ablebens eingestellt werden.
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