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SCHÖN!

SCHÖN!

Titel: SCHÖN! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Reinhard
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Teddybären, aufgepumpten Brüsten, röhrenden Hirschen oder pinkfarbenen Fußnägeln ist rein oberflächlich – und daher anstrengungslos konsumierbar. In den Worten des italienischen Philosophen Umberto Eco (* 1932 ):
    »So ist es denn nur logisch, dass der Kitsch, als prompt ge nießbarer Ersatz der Kunst, die ideale Nahrung für ein träges Pu blikum bildet, das sich den Werten der Schönheit verschreiben und an ihnen teilhaben möchte, ohne sich in Verständnisanstrengungen üben zu müssen.«
    Sich »Instant«-Gefühle frei Haus liefern zu lassen, ist be quem, aber ziemlich unbefriedigend. Der kitschig-pornografi sche Effekt schmeckt schnell schal, verlangt also nach ständiger Wiederholung. Das ist der Nachteil des »Modell Peter«. Peter und alle (meist unwissentlichen) Anhänger der Porno-Kultur sind unfähig, die Ebene der Kurzzeitreize zu verlassen. Andere, höhere Dimensionen des Schönen entgehen ihrem Radar.
    Jenseits von Beate Uhse: der platonische Eros
    Für Freud lag der Nutzen von Schönheit darin, dem menschlichen Sexualempfinden zu dienen. Einen höheren Sinn konnte er partout nicht in ihr entdecken – ganz anders als Platon in seinem Werk Das Gastmahl (Symposion) . Darin geht es wieder hauptsächlich um Sokrates, genauer: um Sokrates’ Erotik. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Sokrates, die historische Persönlichkeit, von erlesener Hässlichkeit war. Die älteste bekannte Büste zeigt ihn mit einem runden, kahlen, eiförmigen Schädel, dicken, verschwollenen Augenlidern, einer breiten Stummelnase, einem ungepflegten Bart und mit wulstigen Backenknochen. Trotz seiner Unansehnlichkeit war es eine von Sokrates’ Lieblingsbeschäftigungen, gut gebauten jungen Männern nachzustellen. Und wie im Gastmahl zu lesen ist, fühlten sich die Jünglinge ihrerseits von ihm angezogen. Was hat das zu bedeuten? Will Platon behaupten, dass hässlich sexy ist?
    Natürlich nicht. Platon geht es darum, die Natur des Eros zu schildern, jenes großen göttlichen Wesens (daimon megas), das zwischen der Welt der Götter und der der Menschen vermittelt. Der himmlische Eros bringt uns dazu, das Schöne in seiner ganzen Vielfalt zu begehren. Unter seinem Einfluss wird uns klar, dass schöne, wohlgestaltete Körper nicht alles sind. Mehr noch: dass sie nur eine Schrumpfform der übermenschlichen, ewigen Schönheit darstellen. Für Platon ist Sokrates’ Art zu philosophieren das erotische Geschehen par excellence . Der Autor präsentiert Sokrates als Prototyp einer schönen Seele: Er verkörpert einen seelisch, nicht körperlich Liebenden, der im Dialog mit seinen Geliebten Weisheit er zeugt. Das wahrheitsliebende Gespräch, in das Sokrates (durch das Sprachrohr Platons) sein Gegenüber verwickelt, folgt einem Stufenweg:
• vom schönen Körper
• zur schönen Seele
• zur schönen (moralischen) Lebensführung
• zur schönen (wahren) Erkenntnis
• zur Idee des Schönen (und Guten), deren Glanz alles irdisch Schöne erstrahlen lässt
    Der von Eros seelisch beflügelte Sokrates hält sich aber nicht bloß noch in vergeistigten Höhen auf (wo sich die Verwandtschaft des Schönen mit dem Guten und Wahren zeigt). Dazu ist er viel zu sehr auf die körperliche Schönheit fixiert. Philosophierend pendelt er vielmehr zwischen den einzelnen Stufen hin und her.
    Eros entfacht sowohl die sexuelle Begierde als auch die rein kontemplative Liebe zum Schönen. Entsprechend gibt es ihn in zwei unterschiedlichen Versionen: der niederen, geschlechtlichen und der höheren, übergeschlechtlichen. Ziel der erotischen Liebe ist in jedem Fall, sich mit dem Schönen zu vereinen und im Zeugungsakt an der Ewigkeit teilzuhaben, also ein Stück von der eigenen Endlichkeit abzulegen. Dabei werden entweder – bei der geschlechtlichen Vereinigung – Kinder produziert. Oder aber der Mensch verbindet sich seelisch mit Schönheit: Dann kann er zum Beispiel große Dichtung (wie Homer) oder ein bedeutendes Gesetzeswerk (wie der athenische Staatsmann Solon) hervorbringen, die sein eigenes Leben überdauern, ihn berühmt, vielleicht sogar »unsterblich« machen.
    Aber wie kann ein und derselbe Trieb – Eros – das sexuelle Verlangen nach schönen Knaben anstacheln und zur Kontemplation einer abstrakten Idee des Schönen verführen? Ist Platons Fokus auf die seelisch-geistige Liebe zum Schönen nicht allzu idealistisch? Oder anders: Ist es je einem Menschen gelungen, seine Gelüste nach einem saftigen Steak zu befriedigen, indem er sich in die

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