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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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gut sein und fuhr nach Hause. Diesmal fühlte er sich besser.
    So verbrachte er ein paar Nachmittage. Ohne genau sagen zu können, was ihn dazu veranlasste, konzentrierte er sich dabei mehr und mehr auf eine bestimmte Kneipe und eine bestimmte Spielhalle. Waren es die vereinzelten Glatzköpfe oder die langhaarigen Truckertypen, von denen er sich etwas erhoffte? Er hätte es nicht genau sagen können.
    Er wusste schon nicht mehr genau, wie oft er diese Kneipe aufgesucht hatte. Vier oder fünf Mal.
    Es war schon wieder Spätnachmittag. Die Szene belebte sich, und OW schielte immer wieder nach dem Eingang und der Theke hinüber. Die Gesichter einiger Stammgäste hatte er sich inzwischen so weit eingeprägt, dass er die Leute einander zuordnen konnte. An ein paar Typen, die immer wieder auftauchten, knüpfte er seine Erwartung: Einer dieser Männer würde ihn irgendwann ansprechen. Aber es kam anders.
    Ein Gast, den er noch nie gesehen hatte, betrat das Lokal und ging, ohne sich umzusehen, direkt an die Theke und nahm einen Espresso. OW schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Schon allein sein langer Wollmantel und seine gepflegten Schuhe setzten ihn deutlich von den anderen Kneipenbesuchern ab. Er sprach mit niemandem. Nur als er bezahlte, beobachtete OW, wie der Mann hinter der Theke eine fast unmerkliche Kopfbewegung in seine Richtung machte. OW senkte den Blick auf sein Waffenjournal und sah erst auf, als der Fremde ihm gegenüber Platz nahm.
    Einen Moment sahen sie sich wortlos in die Augen.
    »Suchen Sie was?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Man merkt hier schon, wenn einer was sucht.«
    »Hmm«, machte OW, schlug sein Waffenjournal zu und schob es von sich weg. »Wenn man da hineinschaut, meint man ja, man kriegt alles. Aber das täuscht wohl.«
    »Irrtum. Man kriegt schon alles. Man muss nur wissen woher. Also, was suchen Sie?«
    »Ein bestimmtes Ei.«
    »Bundeswehrware, amerikanische oder was?«
    »Nein. Es muss was anderes sein.«
    »Wählerisch? Sammler?«
    »Ja. Das heißt, ich selber nicht. Ich brauche das Ei für einen Sammler, einen Kumpel, der bei mir was gut hat.«
    »Okay. Was aus dem Osten.«
    OW schaute ihn über seinen Brillenrand an und nickte.
    »Man hört, dass es Jugo-Eier gibt, ganz giftige Dinger. So was wäre schön.«
    »Hundert.«
    »Nein, nur eins oder zwei.«
    »Hundert Euro pro Stück.«
    OW schüttelte den Kopf.
    »Zu teuer für ein Geschenk. Ich habe was von dreißig gehört.«
    »Dreißig geht gar nicht.«
    »Fünfunddreißig.«
    »Fünfzig oder nichts.«
    OW knurrte und nickte mit dem Kopf.
    »Abgemacht?«
    »Hmm.«
    »Sagen wir übermorgen hier zur selben Zeit?«
    »Okay.«
    OW sah ihm nach. Dann machte er sich eine Notiz.
    Zirka 1,80. Breitschultrig, rundes Gesicht, ganz leichter Doppelkinnansatz, rotbackig, braune Augen, buschige Augenbrauen, die über der Nasenwurzel fast zusammengehen, volles dunkles Haar, zurückgekämmt. Insgesamt gepflegtes Äußeres
.
    Der Mann hinter der Theke warf ihm immer wieder einen Blick zu. Als OW seinen Zettel einsteckte, kam er ungerufen zu ihm herüber und fragte: »Möchten Sie bezahlen?«
    »Nein. Ich hätte gern noch ein kleines Bier«, antwortete OW und wurde sich schon im selben Moment klar darüber, dass diese Tarnung sinnlos geworden war.
    Zwei Tage später saß OW wieder auf demselben Stuhl mit einem dunklen Hefeweizen vor sich. Er blätterte gelangweilt im neuen Spiegel und schaute immer wieder zum Eingang hin. Sein Glas wurde leer, die Zeit verging, und niemand kam. Er bestellte ein zweites Bier und versuchte, sich in einen Artikel über die Kreditaffäre des Bundespräsidenten Christian Wulff zu vertiefen. Da kam er auf ihn zu.
    »’n Abend.«
    »Hi. Konnte nicht eher. Aber es klappt.«
    »Und wie komme ich ran?«
    »Fünfzig für mich und Sie kriegen die Connection.«
    »Sagten wir nicht fünfzig insgesamt?«
    »Ja, für die Ware. Also?«
    OW fühlte sich über den Tisch gezogen. Aber wenn er jetzt nicht mitspielen würde, wäre alles umsonst gewesen. Nach all der Zeit, die er geopfert hatte, durfte es ihm auf fünfzig Euro nicht ankommen. Stirnrunzelnd zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche und legte den Fünfziger auf den Tisch, hielt aber seine Hand darauf.
    »Sie müssen mir schon trauen, sonst wird es nichts«, sagte sein Gegenüber mit einem überlegenen Lächeln.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte OW, ohne seine Hand von dem Geldschein zu nehmen.
    »Ganz einfach. Sie treffen den Lieferanten am Freitagabend in der Autobahnraststätte

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