Schönbuchrauschen
Schönbuch, auf der Seite Richtung Singen. Sie kommen allein. Sie setzen sich an das Fenster zum LKW-Parkplatz hin, trinken einen Kaffee und lesen Zeitung. Der Mann kommt zwischen zehn und halb elf. Er wird sich Ihnen gegenüber hinsetzen und Sie fragen, ob er einen Blick in Ihre Zeitung werfen darf. Wenn er aufsteht, gehen Sie ihm langsam nach. Das ist alles. Vergessen Sie nicht, eine Tasche mitzubringen.«
OW schob den Schein über den Tisch. Der Makler lächelte ihm kurz zu, steckte das Geld ein und verabschiedete sich wortlos mit einem kleinen Handzeichen.
24
»Ich hab die Spur, da gibt es gar keinen Zweifel.«
»Was für eine Spur?«, fragte Kupfer, der von OWs Anruf aus ganz anderen Überlegungen herausgerissen wurde.
»Die Handgranatenspur natürlich. Ich glaube, ich treffe den Typ, der sie verkauft hat.«
»Du Spinner! Du sagst mir jetzt aber nicht, dass du tatsächlich auf eigene Faust …«
»Doch. Genau das. Und es hat geklappt.«
OW schilderte detailverliebt seine Ermittlungsmethode, wie er es nannte, und berichtete von seinem Erfolg.
»Tolle Geschichte. Du hast sie sicher aufgeschrieben.«
»Dazu hatte ich absolut keine Zeit. Aber jetzt kommt ihr morgen Abend und schnappt euch den.«
»Wie stellst du dir das eigentlich vor? Ich ordne einen Polizeieinsatz an, weil sich einer meiner Freunde als Hobbyermittler betätigt hat? Nein, mein Lieber, so geht das nicht.«
»Wieso nicht? Das klappt garantiert.«
»Garantiert ist nie etwas. Und genau darum geht es. Ich handle mir jede Menge Ärger ein, wenn ich auf deinen Hinweis hin einen Einsatz anordne und dann nichts dabei herauskommt. So ein Einsatz kostet einen Haufen Geld, vergiss das nicht. Und was denkst du, wie sich die Kollegen freuen, wenn sie an einem Freitagabend wegen nichts und wieder nichts an einer Autobahnraststätte herumstehen müssen?«
»Schon klar, Siggi, aber ich bitte dich, tu was. Wenn jetzt nichts passiert, dann war mein ganzer Einsatz umsonst.«
»Tut mir leid. Da musst du allein hingehen.«
»Das kann ich nicht – Emma lässt mich nicht.«
Kupfer lachte laut auf.
»Es ist so«, erklärte OW, »Emma war immer dagegen, aber sie hat mich machen lassen. Ausgelacht hat sich mich allerdings schon. Aber jetzt, wo es ernst wird, sagt sie, dass ich ohne dich keinen Schritt weiter gehen soll.«
»Womit sie recht hat.«
»Also … wenn du das auch so siehst!«
Kupfer dachte nach und kritzelte eine nach innen enger werdende Spirale auf seinen Notizblock.
»Siggi, bist du noch dran?«
»Ja, ich weiß bloß nicht …«
»Komm, gib deinem Herzen einen Stoß! Mir zuliebe.«
»Okay, dir zuliebe. Aber ich komme allein. Halb privat sozusagen, und nur, damit Emma beruhigt ist. Und wenn wir dann umsonst dort gewartet haben, dann trinken wir gemütlich irgendwo ein Bier und fahren dann heim.«
»Dann morgen Abend im Rasthaus Schönbuch.«
Mit dem dichten Nebel hatte OW nicht gerechnet. Völlig unsicher bog er bei Gärtringen auf die A 81 ein und orientierte sich an den Rücklichtern eines Pkws, den er nicht einmal identifizieren konnte. Mit gerade mal siebzig Stundenkilometern ging es voran, und er befürchtete schon, die Einfahrt zum Rasthaus Schönbuch verpasst zu haben. Da erblickte er endlich das Schild und scherte erleichtert rechts raus.
Pünktlich um 22 Uhr betrat er das Rasthaus. Es war wenig belebt. Ohne sich umzusehen, ging er an die Kaffeebar gegenüber dem Eingang und ließ sich einen Milchkaffee geben. Dann, mit der Tasse in der einen und seiner kleinen Reisetasche in der anderen Hand, machte er ein paar ziellose Schritte durch den Raum, stellte sich an einen Bistrotisch, wo Zucker und Milch bereitgestellt waren, und rührte wie geistesabwesend in seiner Tasse. Schließlich schaute er auf, durchschritt die ganze Länge des Raums und setzte sich an der Stirnseite an einen kleinen Tisch. Dass er von außen gut gesehen werden konnte, seinerseits aber eine Glasscheibe vor sich hatte, die den hellen Raum spiegelte, so dass er kaum hinaussehen konnte, nahm ihm jede Sicherheit. Und wenn er mit den Händen seine Augen abschirmte und mit der Stirn die Fensterscheibe fast berührte, sah er nur zwei große Laster stehen. Sonst war alles grau. Er fühlte sich ständig beobachtet, ohne zu wissen, von wem und von welcher Seite. In den schmalen Lichtkegeln eines wegfahrenden Autos glaubte er einen Moment lang Kupfer zu sehen, wie er aus seinem Wagen ausstieg. Aber er konnte sich auch getäuscht haben. Die Lichtkegel waren zu schnell
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