Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
ein gewaltiger Kronleuchter hing, und kam sich unendlich klein dabei vor. Kein Wunder, war doch das Zimmer so groß, die Decke so hoch, dass jeder, der ein wenig Gefühl für Proportionen hatte, sich zwangsläufig mickrig Vorkommen musste. Ob es jetzt die ungewohnte Umgebung war, die Plotek kein Auge schließen ließ, der allzeit Frische simulierende Bäumchenduft im Zimmer oder doch eher das Mondlicht, das sich durch den Schlitz im Vorhang ins Zimmer schmuggelte – keine Ahnung. Vermutlich waren es in Wirklichkeit die tagsüber erfolgreich verdrängten Gedanken, die Plotek wie die Serviermädchen im Kopf herumwuselten: Agnes! Vielleicht sollte ich sie anrufen, dachte er, mich mit ihr versöhnen. Jetzt muss man wissen, dass Plotek schon immer Schwierigkeiten hatte, auf Menschen zuzugehen. Seien es Fremde oder sogar Vertraute. Davon gab es allerdings sehr wenig. Eigentlich in letzter Zeit nur Agnes. Jetzt auch die nicht mehr. Bis Plotek mal von sich aus etwas unternahm, um Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg und Unstimmigkeiten aus der Welt zu räumen, hat ihn die Welt schon lange selbst aus dem Weg geräumt. Meistens stellte er sich stur, kapselte sich ab, schloss die Augen und wartete, bis sich alles von alleine löste. Aber Irrtum: Nichts löste sich.
    Selbst einschlafen war ihm jetzt nicht möglich.
    Eigentlich war Plotek im Grunde seines Wesens harmoniebedürftig. Streit lag ihm nicht, polemische Wortgefechte noch weniger. War die Harmonie aber mal am Arsch, ließ er sie auch da. Keinerlei Bemühung um Wiedergutmachung.
    Jetzt ebenso. Also rief er Agnes nicht an, sondern stand auf, um den Mond und sein lästiges Licht ganz aus dem Zimmer zu verbannen. Als er gerade am schweren roten Vorhang zerren wollte, musste er feststellen, dass gar kein Mond am Himmel stand. Auf den zweiten Blick erkannte er nicht nur, dass das Licht von der Beleuchtung des Weihnachtsbaums vor dem Hotel herrührte, sondern sah auch Schnabels weißen Luxusbus, der gerade wieder auf den Parkplatz vor dem Hotel rollte. Plotek zog also den Vorhang nicht zu, sondern sogar noch ein Stückchen weiter auf. Jetzt konnte er die verlöschenden Buslichter sehen. Dann zwei Männer, die aus dem Bus ausstiegen und die Tür abschlossen. Sie gingen Richtung Hoteleingang, wo ein weiterer Mann ein wenig abseits stand und rauchte. Das war eindeutig Schnabel, dachte Plotek. Die zwei Männer in langen Pelzmänteln begrüßten Schnabel mit Handschlag und alle drei entfernten sich vom Hotel und gingen am Fluss entlang in Richtung Innenstadt. Plotek schaute ihnen noch hinterher, bis sie schließlich aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Jetzt war Plotek hellwach. Von Müdigkeit keine Spur. Zu den irritierenden Gedanken in Bezug auf Agnes kamen jetzt auch noch irritierende Gedanken wegen Schnabel. Waren das die anderen organisatorischen Dinge, die er zu erledigen hatte? Mir doch egal, dachte Plotek und merkte, noch immer am Fenster stehend, dass ihm jetzt zu allem Überfluss auch noch die nötige Bettschwere fehlte, um sich in das riesige Bett zu legen, die Augen zu schließen und einzuschlafen. Er zog sich an. Bisschen frische Luft schnappen, dachte er, Beine vertreten. Vielleicht hat noch ein Lokal auf, um der Bettschwere mit ein paar Tequila Beine zu machen.
    Der blasse Mann mit dem hängenden Augenlid öffnete ihm die schwere Eingangstür, wünschte noch einen schönen Abend und guckte Plotek lange nach. Als Plotek an dem kleinen Flüsschen Tepl, das sich durch Karlsbad schlängelt und jetzt zum Teil zugefroren war, entlanglief, schnatterten noch ein paar Enten. Die haben auch nie Ruhe, dachte Plotek und versuchte den Matschpfützen aus dem Weg zu gehen. Es fing an zu schneien. Er knöpfte seine Cordjacke zu und wusste, dass er eindeutig zu dürftig bekleidet war für dieses Sauwetter.
    Die Stadt war wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen, dafür leuchteten überall Weihnachtsdekorationen. Fast alle Lokale hatten bereits geschlossen. Dabei war es erst kurz vor Mitternacht. Offenbar spielte sich das Kurleben vor allem tagsüber ab. Nachts schliefen die Kurgäste. Nur im Elefanten, wo früher Goethe schon seinen Kaffee getrunken hatte, brannte noch Licht. Jetzt aber nichts wie rein da, hätte man Plotek zurufen wollen, bevor der Laden auch noch schließt – aber denkste. So schnell konnte man gar nicht gucken, wie Plotek am Elefanten vorbei war. Der Grund: Schnabel. Schnabel saß, wie Plotek durch die Schaufensterscheibe sehen konnte, mit den beiden

Weitere Kostenlose Bücher