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Schöne Khadija

Schöne Khadija

Titel: Schöne Khadija Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Cross , Tanja Ohlsen
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fuhren mit ihm in ein Dorf, das er nicht kannte, und schlossen ihn in einem fensterlosen Raum ein. In diesem Raum befand sich nichts außer einem leeren Eimer und er war hungrig und verängstigt. Er hatte keine Ahnung, warum die Männer ihn gefangen genommen hatten.
    Nach eineinhalb Tagen – vielleicht auch länger – kam ein Mann und zerrte ihn hinaus. Jetzt waren drei Männer da und einer von ihnen telefonierte. Als Mahmoud kam, schwieg er und stieß ihm das Telefon entgegen.
    »Das ist deine Schwester«, sagte er. »Deine Schwester in England. Sag etwas zu ihr – damit sie deine Stimme hört.« Seine Augen waren hart und kalt und Mahmoud fragte sich, ob das ein grausamer Trick war. Aber er tat, was sie verlangten, und sagte ins Telefon: »Geri?«
    Er hörte, wie sie seinen Namen nannte.
    Plötzlich sprach er so schnell er konnte, um zu erklären, was ihm geschehen war. Aber der Mann mit den kalten Augen riss ihm das Telefon weg, bevor er zu Ende gesprochen hatte, weil er selbst mit Geri sprechen wollte. Und dann sagte er das Schrecklichste überhaupt.
    Zehntausend Dollar.
    Mahmoud konnte sich eine solche Summe nicht einmal vorstellen. Wie sollte ein einzelner Mensch – ein armes Somali-Mädchen – jemals so viel Geld auftreiben, selbst in einem reichen Land? Es war unmöglich. Aber wenn sie es nicht schaffte, dann würde er sterben.

Ich hatte befürchtet, Khadija würde schreien und weinen, als die Entführer aufgelegt hatten. Aber das tat sie nicht. Sie schloss die Augen und stand da, ohne etwas zu sagen, so still, dass ich nicht einmal sehen konnte, ob sie atmete.
    »Du könntest Sandy um das Geld bitten«, meinte ich. Es war das Einzige, was mir einfiel. »Man kann ja nie wissen, vielleicht gibt sie dir die zehntausend Dollar, wenn du ihr sagst, wozu du sie brauchst.«
    Khadija machte die Augen auf. »Was? Wir sagen ihr, dass jeder erpresserische Budhcad in Somalia weiß, dass sie mir einen Job geben will? Sei doch nicht dumm. Wir sollten es doch geheim halten. Wenn sie davon erfährt, wird sie mich nicht mehr wollen – und dann habe ich gar keine Chance mehr, Mahmoud das Leben zu retten.«
    »Aber wir müssen doch irgendetwas tun können«, wandte ich ein. »Wenn die Entführer hier in diesem Land wären, könnten wir zur Polizei gehen. Aber in Somalia …«
    Ich musste es nicht aussprechen. In Somalia gibt es keine Polizei. Es gibt keine Regierung, kein Recht und kein Gesetz. Nur Budhcads und Kriegsherren und Piraten. Kinder, die mit Kalaschnikows die Straße entlangspazieren. Gepanzerte Wagen mit hinten aufmontierten Maschinengewehren … Das wusste sogar ich.
    Khadija wandte sich zu mir um. »In Somalia haben wir Familie. Mein Vater und meine Onkel suchen alle nach Mahmoud. Und wenn ich dort wäre, könnte ich sie fragen, was ich tun soll. Aber hier bin ich allein. Ich habe keine Unterstützung.«
    »Du hast doch meine Familie!«, erwiderte ich hitzig.
    »Das ist nicht dasselbe!«, rief Khadija. »Wie sollte es auch?«
    Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Mein Clan und ich gegen den Rest der Welt , sagt man in Somalia. Meine Familie und ich gegen meinen Clan. Wie sollte man sich so je auf jemand anderen verlassen können?
    »Wir haben versprochen, uns um dich zu kümmern«, sagte ich, denn das war wenigstens das Zweitbeste. »Wir werden alles tun, was wir können.«
    Khadija zuckte mit den Achseln. »Werdet ihr das Geld für mich auftreiben? Oder mich nach Somalia bringen, damit ich Mahmoud suchen kann?«
    »Du weißt, dass das nicht möglich ist.« Ich versuchte verzweifelt nachzudenken. »Aber es muss doch jemanden geben, der uns helfen kann.«
    Erst im Bus kamen wir darauf, wer das war. Natürlich musste es jemand sein, der die Wahrheit über Khadija wusste. Eine davon war Maamo, aber ich wusste nicht, was sie hätte tun können. Aber vielleicht war da noch jemand anderes …
     
    Er war in dem kleinen Raum hinten in der Moschee und besprach etwas mit dem Imam. Durch die Glastür konnten wir sie beide sehen – den alten Onkel Osman mit seinem grauen Bart und dem weisen, zerfurchten Gesicht, und den jungen, ehrgeizigen Imam mit seiner Leidenschaft für Güte und Wahrheit. Ich hielt es für keine gute Idee, sie zu unterbrechen, aber Khadija klopfte an die Tür und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
    Onkel Osman sah auf. Als er Khadijas Gesicht sah, bat er uns, näher zu kommen. »Was ist los?«, fragte er.
    »Es ist etwas passiert«, flüsterte ich. »Etwas Schlimmes.« Ich

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