Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
– dürfen mich ansehen, ohne jede Scheu. Das würden sie in einem Café oder in ihren Büros niemals tun. Sie dürfen meine Schönheit bewundern. Fotos sind erlaubt. Ich posiere aber nur so, wie ich das für richtig halte. Und was ich zeige, bleibt auch mir überlassen.“
„Sie…“ Fabian hatte auf einmal so ein en Knoten im Hals. „Sie ziehen sich also manchmal aus?“
„Nur bei attraktiven Besuchern, die mich nicht verseuchen können.“
Inzwischen waren Lisa diese Sprüche egal, sie verzog nur noch den Mund.
„Ab und zu, das räume ich ein“, lächelte Agatha, „ab und zu schlafe ich auch mit dem einen oder der anderen. Aber dann muss mir die Person schon sehr gefallen. Und da wir d a bei sind: Das war auch vorletzte Nacht so.“
„Und wer war der Herr?“ fragte Lisa.
„Der Herr war eine außerordentlich sinnliche reife Dame, deren Namen ich nicht kenne“, erklärte Agatha frohgemut. „Normalerweise lasse ich das Alter genau so wenig an mich ran wie Fett und Pickel, aber hier konnte ich eine Ausnahme machen. Sie tat sehr viel für ihren Körper, hatte sehr gute Pr o portionen und eine überraschend frische, angenehm duftende Möse. Ich denke, ich konnte ihr genug Schönheit übertragen, um ihr noch ein paar Jahre zu schenken, bevor sie verdorrt. “
Fabian hatte inzwischen einen wirksamen Schutzschild entwickelt und blieb gelassen.
„Sie glauben also, Schönheit und Hässlichkeit sind übe r tragbar?“
„Zumindest kurzfristig, ja. Ich sehe das andauernd. Jeder Mensch, mit dem ich zu tun habe und auf den ich einwirke, gewinnt an ästhetischer Intensität. Das hat damit zu tun, dass sie mit meinem Aussehen und Flair mithalten wollen. Aber es geht darüber hinaus: Eine Energie wird übertragen, die tief in die Menschen eindringt. Nichts ist mehr wichtig, nur noch das Äußere. Und das ist in meinen Augen Kunst: Das Streben nach ästhetischer Perfektion.“
„Sie reden dauernd von dieser ästhetischen Perfektion“, grunzte Lisa, „aber haben die ganze Zeit diesen Knubbel am Hals.“
Fabian staunte. Erstens darüber, dass Lisa diese kleine Unebenheit in Agatha Kohlers Gesicht bemerkt hatte – im G e gensatz zu ihm. Zweitens über die Reaktion der Frau. Sie schrie wie am Spieß und sprang vom Bett .
„Raus hier! Raus hier! Sofort raus hier!“
Sie war drauf und dran, die Hauptkommissarin anzugre i fen, und Lisa freute sich schon darauf, sie mit einem in der Nahkampfausbildung viel fach erprobten Magentritt auf d ie Bretter zu schicken, aber Fabian griff rechtzeitig ein, zog Ag a tha an sich und zwang sie mit sanften Druck, sich zurück auf das Bett zu setzen – ansonsten hätte er ihr den Arm ausgek u gelt.
Winselnd und schwer atmend hockte sie da und funkelte Lisa an.
„Wir gehen jetzt besser“, meinte Fabian, und die beiden Ermittler traten den Rückzug an.
„Fette Blubberqualle“, hörte Lisa noch, als sie die Tür hi n ter sich herzog.
„Ich glaube, ich mag die Frau da nicht“, sagte Lisa.
Fabian wusste, was sich gehörte, und gab ihr einen Kuss. Und noch einen. Und noch einen.
„Alles wieder gut?“ fragte Fabian ungewohnt sanft.
„ Na sicher “, sagte Lisa nonchalant , „alles klar. Zwei Dinge: Erstens wirst du eine Weile brauchen, um deine Performance da drin wieder gutzumachen. Und zweitens: Sie war es!“
Zehn
„Und worauf fußt diese Expertise?“
„Auf deiner blöden Mama!“
Lisa war nicht in Stimmung für eleganten Schlagabtausch. Jedenfalls keinen verbalen.
„Betrachten wir das mal nüchtern, sollen wir?“ Fabian g e leitete seine Kollegin beruhigend in Richtung Treppe. „Sie a r beitet nicht mit Silikon. So wie ich das sehe, arbeitet sie übe r haupt nicht. Der Herr Sieber war außerdem die Homosexual i tät in Reinkultur , wie passt sie da in sein Schlafzimmer? Und da gab es diese Spermaspuren in seinem Gesicht.“
„Na und?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Frau Kohler kein Mann ist. Und wenn ich ‚ziemlich‘ sage, ist das reichlich tiefgest a pelt. Eigentlich gibt es fast gar nichts auf der Welt, was mir sicherer erscheint als das.“
„Vielleicht hatte er die Sahne schon im Gesicht, und dann kam sie und hat ihn kaltgemacht.“
„Und wieso?“
„Weil sie eine gestörte miese Drei-Euro-Hure ist.“
„Ah.“ Fabian holte wieder sein Notizbuch raus und fing an zu kritzeln. „Ge-stör-te mie-se Drei-Eu-ro…“
„Schon gut, schon gut, schon gut.“ Lisa beruhigte sich allmählich.
„Dann muss ich mir was anderes
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