Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
oft. Mustafa hat Tim ein paarmal beleidigt, Sie wissen schon, homophobe Schimpfwörter. Sehr peinlich, das. Aber was soll man machen?“
„Ihn achtkantig rausschmeißen?“ schlug Fabian vor.
Stolz richtete sich auf und sah Fabian kalt an.
„Ja, das würde jemand wie Sie wohl tun, nicht wahr? Mi g ranten kann man ja rumschubsen wie man will, stimmt’s? Sind ja nur Menschen zweiter oder dritter Klasse, oder?“
„Nein“, entgegnete Fabian ruhig, „ ich finde lediglich, das Gebot der Toleranz sollte für alle gelten oder für niemanden. Entweder wir schreien uns gegenseitig ständig unseren Hass ins Gesicht, oder wir vertragen uns. Dass man im Namen der Toleranz die Intoleranz fördert, macht Multikulti unmöglich. Die funktioniert nämlich nur, wenn alle mitmachen.“
Stolz murmelte etwas von „neoliberaler Stammtischre d ner“, wollte es aber nicht auf die Spitze treiben. Nicht zuletzt weil er fürchtete, seinem Gegner nicht gewachsen zu sein. Normalerweise reichten ihm eine Handvoll auswendig geler n ter Phrasen, um eine Debatte durchzustehen, aber irgendwie klang dieser Bulle nicht so, wie man sich normalerweise einen vorstellt.
„Ich wollte Ihnen nur helfen“, maulte er.
„Und wir wissen das zu schätzen“, versicherte Lisa. „Kö n nen wir dann mal mit den beiden sprechen?“
„Sie sind beide nicht da, fürchte ich.“
„Haben Sie die Adressen?“
„Nicht von Mustafa, fürchte ich. Er zahlt hier pünktlich seine Miete in bar , über sein Privatleben weiß ich nichts . Tim wohnt in Kreuzberg, Zossener Straße. Aber er ist vorhin g e gangen und hat mir gesagt, dass er jemanden besucht, und dass er morgen nicht kommen würde. Sie werden ihn jetzt wohl nicht erwischen. Aber morgen müsste gehen.“
Sie dankten ihm und verabschiedeten sich. Nur auf Ve r dacht alle männlichen Insassen auf Penis-Affinität zu verne h men, war nicht ernsthaft durchführbar.
„Vielleicht ist das ein Fehler“, überlegte Fabian, als sie in den Wagen stiegen.
„Was meinst du?“
„Wenn Stolz jemanden schützen will, dann könnte er auf diese anderen beiden ablenken, indem er sie uns auf dem Si l bertablett serviert. Ist doch merkwürdig, was für ein Sinne s wandel das war. Vielleicht hat er selbst eine viel bessere A h nung, wer unser Mann ist, hält es aber zurück – vielleicht für eine kleine Erpressung.“
Lisa drapierte den Sitzgurt zwischen ihren Brüsten.
„Tja, wer weiß, vielleicht finden wir ihn morgen tot auf. Dann spendier ich dir ein Pils.“
Sie versuchten es am Breitscheidplatz, hatten aber kein Glück, Mustafa war bis auf weiteres nicht zu erwischen. Fabian wollte ganz schnell weg von diesen „Scheißhaufen mit blauen Fenstern“, wie er den in der Tat durch und durch grauenerr e genden Architekturmüll titulierte, den man an die Ruine der Gedächtniskirche drangekackt hatte. Eine zwielichtige Figur namens Eiermann hatte sie aus seinen Gedärmen herausg e presst, wobei er eigentlich auch die Ruine vorher abreißen wol lte. Aber guter alter deutscher Kompromissgeist hatte ein Machtwort gesprochen: Wenn schon hässlich, dann aber in j e der Stilart, damit jeder individuelle Brechreiz ausgelöst werden konnte. Seit dem Abriss des Palast s der Republik war dieses Ensemble definitiv das hässlichste Gebäude und der Brei t scheidplatz damit der hässlichste Platz Berlins , knapp vor dem Eingangsbereich zur Hölle namens Kottbusser Tor . Zusammen mit der Riesenbaustelle am Bikini-Haus und dem wegen Rep a raturen verhüllten Kirchturm hatte sich eine derartig apokaly p tische Gesamtsituation ergeben, die einen staunen ließen, dass sich noch immer Touristen hierher verirrten. Gleich n e benan wurde das Waldorf Astoria fertig, aber sie ließen sich Zeit, man wollte seinen Gästen wohl diesen Anblick möglichst ersparen. Die Sicht auf den Bahnhof Zoo war schon schlimm genug. Unfassbar, dass dies mal das Zentrum von Berlin war, als die Stadt halbiert war. Weder Fabian noch Lisa hatten den Eindruck, irgendwas verpasst zu haben von dieser Zeit. Das trostlose Elend wurde jetzt sukzessive beseitigt, darum kon n te man froh sein.
„Wenn nur irgendjemand die scheiß Kirche sprengen könnte“, knurrte Fabian, als sie zu ihrem Auto gingen. „Wo sind islamistische Terroristen, wenn man sie mal braucht?“
„Oder alternativ ein Senat mit Sinn für Ästhetik und Eiern in der Hose“, schlug Lisa vor.
„Wowi hat keine Eier, glaubst du?“
„Wenn er sie hätte, wieso macht er dann nicht die Deu
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