Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
volle Minute dauerte.
„Verstehen Sie jetzt, warum ich mich nur Mustafa nenne? Meine Signatur würde das halbe Bild einnehmen.“
„Mustafa, ich muss sie nach ihrem Verbleib in den ve r gangenen Nächten fragen.“
„Ich bin nachts immer zu Hause. Allein, fürchte ich.“
„Keine Freundin in Sicht?“
„Nicht im Moment, danke der Nachfrage.“
„Wie kommt’s?“
Mustafa seufzte und stand auf. Er stützte sich mit den Händen am Fensterbrett ab und starrte hinaus.
„Sehen Sie, ich bin gläubig genug, um keinen Alkohol o der andere Drogen zu mir zu nehmen, deshalb gehe ich nicht in Kneipen und Discos. Ich bin nicht gläubig genug, um in der Moschee ständig die Ärsche alter Männer anzustarren. Und was es dann noch so gibt – Kulturclubs und andere Bege g nungsstätten – da ist es voll von blöden Asis. Die kommen mit einem Wortschatz von dreihundert Vokabeln irgendwie durch s Leben, schreien rum, sind aggressiv und noch mit Ende dre i ßig hormonüberladen wie Teenager. Halbe Tiere. Mit solchen Leuten kann ich nichts anfangen, und die nicht mit mir. Wenn du erklärst, dass du Bilder malst, Künstler bist, steht für die fest, du bist...“
„Schwul?“ Fabian wunderte sich selbst, dass sie wieder auf das Thema kamen.
Mustafa kicherte. „Ich nehme an, der erste Tote, wie hieß er noch, der war auch schwul?“
„Ganz recht.“
„Und deshalb suchen Sie nach einem Schwulenhasser?“
„Nicht unbedingt, aber ja, ein Kriterium ist das schon. Kann ja eigentlich kaum ein Zufall sein.“
Mustafa lachte. „Na, warten Sie mal die dritte Leiche ab, vielleicht sieht’s dann anders aus!“
Stille.
Mist , dachte Fabian, ich wollte ihn eigentlich schon abh a ken.
Mustafa drehte sich um und sah Fabian in die Augen.
„Das war jetzt nicht gerade sehr clever, was?“
„Eher nicht, nein.“
„Ich hab nur Spaß gemacht, das wissen Sie doch?“
„Gewiss.“
„‘Gewiss‘“, tönte Mustafa höhnisch. „Sie drücken sich ja schön aus, wie ein Deutschlehrer.“
„Sie hatten anscheinend einen sehr guten“, meinte Fabian.
„Ich bin hier geboren, meine Eltern haben Wert auf Schu l bildung gelegt, damit ich in Deutschland nicht auf dem A b fallhaufen lande. Sie wollten, dass ich studiere, aber ich hab einfach an nichts Interesse. Sie sind sehr enttäuscht.“
Er sagte das mit einem lakonischen, fast gleichgültigen Ton. Es schien ihn nicht zu belasten, dass er sein eigenes L e ben lebte. Fabian respektierte das.
„Ich mag Ihre Bilder“, sagte er und schlenderte von G e mälde zu Gemälde. Es waren große Landschaften und Porträts, allesamt sehr realistisch, aber auch ohne erkennbare individ u elle Handschrift.
„Danke.“
„Sie haben noch nicht Ihre eigene Stimme gefunden“, meinte Fabian, „aber Ihr Talent ist unübersehbar.“
„Ich male, was ich sehe. Das reicht, finde ich.“
Fabian blieb vor einem großen Porträt stehen, das einen halbnackten Mann auf einem Stuhl zeigte, nur bekleidet mit einer Art Toga , die allerdings vorne offen war und ein mord s mäßiges Sixpack enthüllte . Er stutzte, dann sah er genauer hin. Er nahm war, wie Mustafa hinter ihm die Haltung wechse l te. Jetzt schien er in Lauerstellung.
„Das ist ja doch ein recht gewagtes Bild“, sagte Fabian vorsichtig. „Hat Ihnen der Mann Modell gestanden?“
Mustafa schnaubte gereizt. „Für gutes Geld.“
Fabian blickte zu ihm herüber.
„Es ist Ralph Schubert, nicht wahr?“
Er hatte den zweiten Toten nicht sofort wiedererkannt, am Tatort hatte er ihn ja nicht von vorne gesehen, aber jetzt erinnerte er sich an das Dia in Juhnkes Vortrag. Auf dem G e mälde sah Schubert sehr weltmännisch aus, was erstaunlich war für einen so jungen Mann. Mustafa hatte ihm dieses Au s sehen verliehen, das war deutlich. Der Maler hatte sicher keine negativen Gefühle gegenüber seinem Modell, wahrscheinlich sogar im Gegenteil.
Mustafa wand sich. „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass er mir Bilder abkaufen wollte. Das Porträt hat er bestellt und auch angezahlt. Auf dem Rest bleib ich jetzt wohl sitzen.“
Fabian war entschlossen, sich nicht mehr verarschen zu lassen.
„Wie oft kam er hierher?“
„Wir hatten etwa fünf Sitzungen, die letzte vor einer W o che. Dann war es fertig.“
„Warum haben Sie das Bild gerahmt und an die Wand g e hängt, wenn es doch abgeholt werden sollte?“
„Ich rahme alle Bilder , die ich hier mache , gehört zum Service. Ich hänge alle meine Bilder an die Wand, ob nun b e stellt oder
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