Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
von wasserdichten Alibis“, fuhr Lisa fort. „So wie Mike Warburg, er sagt, er und die lackierte Sumpfralle waren die ganze Nacht hier.“
„Das haut aber nicht ganz hin“, erklärte Fabian, „sie sagt, sie sei schlussendlich doch eingeschlafen. Im Prinzip hatte Warburg also Zeit genug...“
„Er war’s nicht!“ Lisa wollte nichts hören. „Er hat mir sogar freiwillig die Speichelprobe gegeben.“
Auch die anderen hatte ein paar Proben eingesammelt, aber die meisten hatten sich geweigert.
„Setzen wir uns in Marsch und geben sie im Labor ab“, schlug Fabian vor. „Dann treffen wir uns in der Kantine.“
Die vier traten nach draußen in den Hof, und dann traf sie der Schlag: Fünf Wagen fuhren gerade herein, drei davon w a ren kleine Lieferwagen mit den Logos von Fernseh- und Radi o sendern. Sie parkten kreuz und quer, und aus ihren Schößen krochen Geschöpfe der dynamischen, eloquenten und skrupe l losen Sorte, bewaffnet mit Kameras, Diktiergeräten und Ta b let-Computern. Ein junger Mann (Lisa schätzte ihn auf 12 Ja h re) kam schnurstracks auf sie zu und hielt ihnen den Comp u ter vor die Nase.
„Radio RS2, der Supermix“, stellte sich das Kind vor, „sind Sie die Kriminalpolizei? Wir haben gehört, dass die Spur zu e i nem Doppelmord hierher führt.“
„Von wem hast du das gehört?“ fragte Lisa.
Das Kind reagierte etwas säuerlich. „Sie können mich r u hig siezen, mein Name ist Tom Kluge, und ich bin neunzehn. Was Ihre Frage angeht, der Betreiber dieses Hauses, Herr...“
„Stolz“, ergänzte Lisa bitter.
Dieses publicitygeile alte Aas, ich hätte es wissen müssen!
Mittlerweile hatte sich der Rest der Rotte um sie gru p piert, und irgendwie hatte keiner ihrer Kollegen das Bedürfnis, Lisa die Rolle der offiziellen Sprecherin abzunehmen.
„Ich kann Ihnen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Informati o nen geben“, sagte Lisa so diplomatisch wie möglich, „es wird spätestens morgen früh eine Pressekonferenz geben. Bis d a hin müssen Sie sich gedulden!“
„Nein, müssen Sie nicht“, kam eine aufgekratzte Stimme aus Richtung Eingang. Es war Xaver Stolz, und er hatte sich schick gemacht . Das bedeutete, statt seines gammeligen T-Shirts trug er ein nettes Hemd, seine Jeans war fleckenfrei, so wie sein Bart, und die Füße steckten in modischen Sandalen. Der Bonvivant, der zwischen Paris und Mailand pendelte, Ro t wein schlürfte und Gedichte schrieb, hielt Hof.
„Kommen Sie herein, meine Herrschaften!“ rief er, und die Meute folgte ihm zögerlich.
„Jemand in diesem Haus ist ein Mörder!“ verkündete Stolz... nun ja, stolz. Die Meute folgte ihm nun deutlich b e reitwilliger.
„Und Sie dürfen selber herausfinden, wer!“
Die Gruppe verschwand im Haus, mit herumschwenke n den Kameras und aufgeregtem Geschnatter in Mikrofone.
Die vier Kommissare standen allein da.
„Was zum Arsch war denn das?“ knurrte Fabian.
„Ich hätte es ahnen sollen“, entschuldigte sich Lisa. „Er hatte schon so was angedeutet. Er will aus dieser Sache Kap i tal schlagen, das Fandango bekannter machen.“
„ Motiv, ich hör die tra psen“, witzelte Alfie.
„Es war ja eh nicht zu verhindern“, fand Sabine. „Dann s a gen wir mal Bescheid, dass eine PK benötigt wird. Juhnke wird sich freuen.“
Juhnke hasste die Presse. Nur wenige Polizisten waren begeistert von der Hauptstadtjournaille, die ständig damit b e schäftigt war, den Leuten Angst vor imaginären Bedrohungen einzujagen. Berlin hatte eins der sichersten Nahverkehrssy s teme der Welt, dennoch wurden die zwei, drei Schlägereien am Wochenende in der U-Bahn zu einer epischen Verbrechenswe l le stilisiert, so dass jeder glaubte, nachts in Berlin seines L e bens nicht mehr sicher zu sein.
Die Berliner Polizei hatte eine Aufklärungsquote von über 50 Prozent, was für eine Metropole verdammt gut war. Und so gut wie al le Mörder wurden gefasst. Das LKA war stolz auf seine Arbeit, aber in der Öffentlichkeit blieben nur Bilder von Neuköllner Halbstarken haften, die auf andere Halbstarke ei n traten. Aber seit die Intensivtäterabteilung ihre Arbeit aufg e nommen hatte, die sich ausschließlich um minderjährige Früchtchen kümmerte, landeten d ie Kids immer öfter im Bau, statt mit Bewährung davonzukommen, und das zeigte Wi r kung. Die Jugendkriminalität ging immer weiter zurück.
Umso verzweifelter gerieten die Bemühungen der Presse, Ängste zu schüren. Jede Videoaufnahme von Gewalttaten in einer U-Bahnstation,
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