Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
genannt, ist ein Lemur, stammt wie alle Lemuren aus Madagaskar, ist nachtaktiv und grottenhässlich. Ich persönlich finde, der Nacktmull ist das hässlichste Tier der Welt, hab ich Ihnen ja gezeigt, aber das muss jeder selber wissen.“
Lisa lächelte zurück, und sie waren beide froh, dass sie über die kleine Episode hinweggekommen waren. Aber sie war auch professionell genug, um das auch auszunutzen. Sie holte ihr Tütchen von der Spurensicherung hervor.
„Ich würde gerne eine DNA-Probe von Ihnen nehmen, Herr Warburg. Nur ein kurzer A bstrich der Mundschleimhaut. Si nd Sie einverstanden?“
Er zögerte nur kurz.
„Ja, in Ordnung.“
Er machte brav den Mund auf, und die Prozedur war nach zehn Sekunden erledigt. Lisa verstaute das Material in dem Beutel und dann in ihrer Handtasche.
Sie verabschiedeten sich höflich. Lisa versprach, ihm ihre Eindrücke aus der Neuen Nationalgalerie zu schildern, und er versprach ihr, eine neue Katzenfigur für sie zu machen, zum Selbstkostenpreis.
Auf dem Flur trat sie gleichzeitig heraus wie Fabian. Sie zogen beide die jeweilige Tür zu und blickten sich für ein paar Sekunden an.
Sie konnten es beide spüren.
Fabians Haar war zerzaust, sein Hemd unordentlich, er wirkte derangiert. Lisa nicht minder, ihre Bluse hatte sich ve r zogen, ihr Gesicht war noch leicht gerötet in diesem Ton, der Fabian so vertraut war. Lisa konnte Agathas Parfüm an ihm riechen.
„Was war denn da los bei euch?“ fragte Lisa misstrauisch.
„Was war denn bei euch los?“ fragte Fabian nicht minder argwöhnisch.
„Nichts, wieso?“
„Bei mir auch nichts.“
„Gut.“
„Gut.“
„Irgendwas rausgekriegt?“ fragte Lisa, aber nichts konnte sie im Moment weniger interessieren.
„Ein bisschen“, erklärte Fabian, „und bei dir?“
„Eine Menge. Aber lass uns erst alle Befragungen a b schließen, okay?“
„Okay.“
Au weia. Da erhebt wohl die erste Krise ihr hässliches Haupt.
Siebzehn
Sie trennten sich wieder, beide voller Schuldgefühle und kochend vor Eifersucht. Logik spielt in der Liebe keine übe r geordnete Rolle. Lisa blieb im ersten Stock, während Alfie und Sabine oben ihr Tagewerk verrichteten.
So suchte Fabian nun den berüchtigten Mustafa auf, de s sen Atelier sich im zweiten Stock befand. Er wusste nicht so recht, worauf er sich einstellen sollte. Anscheinend war er ein begabter Maler, was für einen weltoffenen Charakter sprach, andererseits gab es wohl doch stark homophobe Tendenzen. Fabian gehörte nicht zu denjenigen, die sich als allererstes Entschuldigungen einfallen ließen, warum Mensch en sich wie Arschlöcher aufführ en durften . Seine Ethik bestand aus ein paar einfachen Regeln, die im Wesentlichen auf selb ständigem Denken und Verantwortung für das eigene Handeln beruhten. Er lehnte die Vorstellung ab, dass es für einen Moslem ‚i r gendwie verständlich‘ sei, wenn man Schwule für minderwe r tig hält. Das gilt vielleicht für Leute, die ihr Leben in einem a f ghanischen Bergdorf verbrachten, aber nicht für Einwohner von westlichen Millionenstädten, die auch noch von einem Homosexuellen regiert werden. Jeder kann seinen Background hinter sich lassen und eigene Beobachtungen anstellen, eigene Gedanken denken und sich charakterlich weiterentwickelten.
Die bei weitem meisten wollten nur halt nicht. Ihnen g e fiel ihr bequemes, denkfreies Leben, in dem alles für einen vorgedacht wird und man sich nur an die Normen halten muss, die von der Gruppe, in die man reingeraten ist, vorg e geben werden. Die Leute verstiegen sich dann zu den bizarr s ten Meinungen, und sie hielten an ihnen fest, weil um sie he r um genügend Triefnasen waren, die derselben Ansicht waren. Ob es nun eine jüdische Weltverschwörung war, die doch arschklar im Gange war, oder nur der Grundgedanke, dass ein stoischer Muskelprotz, der ständig um sich ballert, es ve r dient, den Namen ‚James Bond‘ zu tragen.
Derartig in Angriffslaune klopfte Fabian an der in seiner Liste angegeben Tür.
„Jaaa?“
„Hier ist das LKA, darf ich reinkommen?“
„Jaaa!“
Ich nehm das mal als ein ‚ja‘.
Und so betrat Fabian einen Raum, der mit Sicherheit der schönste im Hause war. Er hatte nichts gemein mit dem übe r kandidelten Rokoko-Unsinn, den Agatha Kohler für das ultim a tiv Schöne hielt. Es gab fast keine Möbel. Aber a lle vier Wände enthielten große, teils überdimensionale Gemälde von übe r wältigender Pracht und Präzision . Es waren richtige Bilder,
Weitere Kostenlose Bücher