Schöne Neue Welt
Grüne fuhren, selbst wenn es ihnen zum Hals herauswuchs. Das Problem lag darin, einen triftigeren wirtschaftlichen Grund für die Benutzung
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der Verkehrsmittel zu finden als bloßes Wohlgefallen an
Primeln und Landschaft. Man fand ihn denn auch.
»Wir normen den Massen den Haß gegen landschaftliche
Schönheiten an«, schloß der Direktor, »doch zugleich auch die Liebe zum Freiluftsport. Dabei achten wir darauf, daß jeder Sport den Gebrauch komplizierter Geräte nötig macht. Sie benutzen also nicht nur die Verkehrsmittel, sondern auch die Fabrikerzeugnisse. Und darum diese elektrischen Schläge.«
»Ich verstehe«, sagte der Student und schwieg, von
Bewunderung übermannt.
Allgemeine Stille; der Direktor räusperte sich. »Vor langen Zeiten, als Ford der Herr noch auf Erden wandelte, lebte ein kleiner Knabe namens Rüben Rabinowitsch. Rüben war das
Kind polnisch sprechender Eltern.« Er unterbrach sich. »Sie wissen doch, was Polnisch ist?«
»Eine tote Sprache.«
»Wie Deutsch oder Französisch«, ergänzte ein anderer, stolz auf sein Wissen.
»Und Eltern?« forschte der BUND.
Unbehagliches Schweigen. Einige der Studenten erröteten.
Sie hatten noch nicht gelernt, den bedeutsamen, aber oft kaum merklichen Unterschied zwischen Unflat und reiner
Wissenschaft zu erkennen.
Endlich fand einer den Mut, die Hand zu heben.
»Die Menschen pflegten damals -« er zögerte, das Blut stieg ihm in die Wangen, »- sie pflegten die Kinder auszutragen.«
»Sehr richtig«, nickte der Direktor beifällig.
»Und wenn die Babys entkorkt wurden -«
»Geboren wurden«, verbesserte der Direktor.
»- dann waren sie die Eltern. Nicht die Babys natürlich, die anderen meine ic h.« Der arme Kerl war ganz verwirrt.
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»Kurz gesagt«, faßte der Direktor zusammen, »die Eltern waren der Vater und die Mutter.« Diese unflätigen Begriffe, die in Wirklichkeit streng wissenschaftlich waren, fielen wie Donnerkeile in das allgemeine verlegene Schweigen. »Die
Mutter«, wiederholte er laut und rieb ihnen nochmals die Wissenschaft unter die Nase. »Ich weiß«, bemerkte er ernst, in seinen Stuhl zurückgelehnt, »ich weiß, das sind peinliche Dinge.
Aber die meisten geschichtlichen Tatsachen sind peinlich.«
Er kam wieder auf den kleinen Rüben zurück, in dessen
Zimmer eines Abends Vater - krach! - und Mutter - bum!
- das Radio abzustellen vergaßen.
(»Sie müssen sich vergegenwärtigen, daß in jenen Zeitenroher Fortpflanzung, in den Zeiten des Lebendgebärens, die Aufzucht und Erziehung der Kinder in den Händen ihrer Eltern und nicht in denen der staatlichen Normzentrale lagen.«) Während das Kind schlief, meldete sich im Radio plötzlich London mit seinem Programm. Am nächsten Morgen geschah es, daß der kleine Rüben zum größten Erstaunen seines Krach und seiner Bum - die keckeren Studenten wagten, einander vielsagend zuzugrinsen Wort für Wort einen langen Vortrag jenes
wunderlichen antiken Schriftstellers wiederholte - »eines jener wenigen Autoren, deren Werke auc h heute noch gelesen werden dürfen« -, George Bernard Shaw, der, einer verbürgten Überlieferung zufolge, über sein eigenes Genie sprach.
Für den Hmhm und die Hihi des kleinen Rüben war natürlich dieser Vortrag vollkommen unverständlich; sie glaubten, ihr Kind sei plötzlich verrückt geworden, und schickten nach dem Arzt. Glücklicherweise verstand der Englisch, erkannte den Vortrag wieder, den Shaw am Abend zuvor im Rundfunk
gehalten hatte, begriff die Bedeutung dessen, was hier geschehen war, und veröffentlichte einen Artikel darüber in der medizinischen Fachwelt.
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»Das Prinzip der Schlafschule oder Hypnopädie war
entdeckt.« Der BUND machte eine eindrucksvolle Pause.
Das Prinzip war entdeckt, aber noch viele Jahre vergingen, bevor es nutzbringend angewandt werden konnte.
»Der Fall des kleinen Rüben ereignete sich nur
dreiundzwanzig Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem Unser Herr Ford sein erstes T-Modell auf den Markt gebracht hat.« Bei diesen Worten schlug der Direktor das Zeichen T auf seinem Bauch, und voller Ehrfurcht taten die Studenten es ihm nach.
»Und doch -«
Die Studenten kritzelten fieberhaft. Hypnopädie, zum ersten Mal offiziell angewandt 214 n. F. Warum nicht früher? Aus zwei Gründen, a)... »Die Forscher jener frühen Zeiten«, erklärte der BUND, »folgten der falschen Spur. Sie glaubten, man könne die Hypnopädie bei der geistigen Bildung anwenden...«
... Ein kleiner Junge schläft.
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