Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
Vom Netzwerk:
dreißig Monate lang. Danach erhalten sie
    Unterricht für Fortgeschrittene.«
    Rosen und elektrische Schläge, das Khaki der Deltas und ein Hauch von Asafötida, unlöslich miteinander verknüpft, noch bevor das Kind sprechen gelernt hat. Aber Reflexnormung ohne Worte ist grobschlächtig und summarisch, sie vermag kein feineres Unterscheidungsgefühl zu verleihen, nicht das richtige Benehmen in schwierigen Lebenslagen einzuschärfen. Dazu braucht es Worte, jedoch Worte ohne Sinn, kurz Hypnopädie.
    »Hypnopädie ist das beste Mittel zur Stärkung der sittlichen und sozialen Gefühle, das es je gegeben hat.«
    Die Studenten vermerken es in ihren Heften. Aus erster
    Quelle.
    Der BUND drehte noch einmal an dem Knopf.
    »- weil sie so schrecklich klug sind«, sagte die leise, eindringliche Stimme ohne Unterlaß. »Oh, wie froh bin ich, daß ich ein Beta bin -«
    Nicht wie Wassertropfen, wenngleich Wasser Löcher in den härtesten Granit zu höhlen vermag, sondern eher wie Tropfen flüssigen Siegelwachses, die kleben, sich verkrusten und mit dem, worauf sie fallen, verschmelzen, bis der Felsblock ein einziger scharlachroter Klumpen ist.
    »Bis schließlich der Geist des Kindes aus lauter solchen Einflüsterungen besteht und die Summe dieser Einflüsterungen den Geist des Kindes bildet. Und nicht nur den des Kindes, auch den des Erwachsenen - zeit seines Lebens.
    Der urteilende, begehrende, abwägende Verstand - er ist aus diesen Einflüsterungen aufgebaut. Und alle diese
    Einflüsterungen sind unsere Einflüsterungen!«
    Der Direktor schrie fast in seinem Triumph. »Einflüsterungen des Staates!« Er schlug auf den Tisch, neben dem er stand. »Und daraus folgt -«
    -42-

    Ein Geräusch ließ ihn sich umwenden.
    »Allmächtiger Ford!« sagte er in verändertem Ton.
    »Jetzt habe ich die Kinder aufgeweckt!«
    -43-

    Drittes Kapitel
    Draußen im Garten war Spielstunde. Sechs- oder
    siebenhundert kleine Jungen und Mädchen tollten und lärmten nackt in der Junisonne auf dem Rasen, spielten Ball oder kauerten still zu zweien und dreien unter den duftenden Sträuchern. Die Rosen blühten, im Gehölz sangen zwei
    Nachtigallen ihre Soli, und ein Kuckuck rief sich in den Linden heiser. In der Luft summten einschläfernd Bienen und
    Hubschrauber.
    Der Direktor und die Studenten sahen ein paar Minuten einer Partie Zentrifugalbrummball zu. Zwanzig Kinder standen im Kreis um einen Turm aus Chromstahl. Ein Ball, auf die
    Plattform oben geworfen, rollte im Innern herunter, fiel auf eine rotierende Scheibe und wurde durch eine der vielen Öffnungen in der Turmwand herausgeschleudert, worauf er aufgefangen werden mußte.
    »Seltsam«, meinte der Direktor im Weitergehen, »seltsam, wenn man bedenkt, daß man zur Zeit Fords des Herrn für die meisten Spiele nicht mehr als ein paar Bälle, ein, zwei Holzprügel und höchstens noch ein Netz verwendet hat. Eine unglaubliche Dummheit, die Leute schwierige Spiele spielen zu lassen, ohne dadurch den Verbrauch zu erhöhen. Wahnsinn!
    Heutzutage gestatten die Weltaufsichtsräte die Einführung eines neuen Spiels nur, wenn nachgewiesen wird, daß dazu
    mindestens ebenso viele Teile gebraucht werden wie für das komplizierteste der schon gebräuchlichen Spiele.« Er brach ab.
    »Entzückend, diese Gruppe«, sagte er und wies auf eine kleine grasbewachsene Senke,
    wo zwischen hohe n
    Heidebüschen ein ungefähr siebenjähriger Junge und ein etwas älteres Mädchen sehr ernst und mit der gesammelten
    Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern bei einem Versuch sich einfachen sexuellen Spielen hingaben.
    -44-

    »Entzückend, wirklich entzückend«, wiederholte der Direktor gefühlsselig.
    »Entzückend«, echoten die Studenten höflich, aber sie
    lächelten etwas gönnerhaft. Es war noch nicht allzu lange her, daß sie dergleichen kindliche Lustbarkeiten abgetan hatten, und daher gelang es ihnen nicht, sie ohne einen Anflug von
    Geringschätzung zu betrachten. Entzückend?
    Was war denn weiter daran? Ein Paar unbeholfener Kinder -
    eben Kinder, weiter nichts.
    »Ich muß immer daran denken - «, begann der Direktor im selben rührseligen Ton, da unterbrach ihn ein lautes Huhuhu!
    Aus dem nahen Gebüsch tauchte eine Pflegerin auf, die einen heulenden kleinen Jungen an der Hand führte. Ein kleines, ängstlich aussehendes Mädchen trottete bedrückt hinterdrein.
    »Was ist denn los?« fragte der BUND.
    Die Pflegerin zuckte die Achseln. »Nichts Besonderes.
    Der Kleine da scheint nur wenig Lust zu haben, sich

Weitere Kostenlose Bücher