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Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Antwort. Das unangenehme Geräusch wiederholte sich noch zweimal; dann Stille. Ein Klicken, die Badezimmertür ging auf, und totenbleich erschien der Wilde.
    »Na, hören Sie mal, Michel«, sagte Helmholtz besorgt.
    »Sie sehen aber elend aus!«
    »Haben Sie etwas gegessen, was Sie nicht vertragen?«
    fragte Sigmund.
    Der Wilde nickte. »Zivilisation habe ich gegessen.«
    »Was?«
    »Sie hat mich besudelt und vergiftet. Und dann«, setzte er leiser hinzu, »aß ich meine eigene Schlechtigkeit.«
    »Ja, aber was war es wirklich? Sie haben sich doch gerade, meine ich -«
    »Jetzt bin ich davon gereinigt«, antwortete der Wilde.
    »Ich habe heißes Wasser mit Senf getrunken.«
    Die beiden starrten ihn erstaunt an. »Wollen Sie damit sagen, Sie haben das absichtlich getan?« fragte Sigmund.
    »So pflegen sich die Indianer zu reinigen.« Er setzte sich und fuhr sich seufzend über die Stirn. »Jetzt werde ich ein paar Minuten ausruhen. Ich bin ziemlich erschöpft.«
    »Kein Wunder«, meinte Helmholtz. Nach einer Pause sagte er in verändertem Ton: »Wir kommen, uns zu verabschieden.
    Morgen reisen wir.«
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    »Ja, morgen reisen wir«, wiederholte Sigmund, in dessen Miene der Wilde einen ungewohnten Ausdruck entschlossenen Verzichts entdeckte. »Und bei dieser Gelegenheit, Michel«, er beugte sich im Sessel vor und legte dem Wilden die Hand aufs Knie, »möchte ich mich wegen der Vorfälle von gestern
    entschuldigen.« Er wurde rot. »Ich schäme mich«, fuhr er fort, obwohl seine Stimme schwankte, »ich bin wirklich - «
    Der Wilde ließ ihn nicht weitersprechen und drückte ihm
    herzlich die Hand.
    »Helmholtz hat sich großartig gegen mich benommen«,
    erklärte Sigmund. »Ohne ihn wäre ich -«
    »Ach, laß doch!« wehrte Helmholtz ab.
    Sie schwiegen. Trotz ihrer Trauer - oder vielmehr gerade deswegen, denn sie war ein Zeichen ihrer Liebe zueinander -
    waren die drei jungen Männer glücklich.
    »Heute vormittag war ich beim Aufsichtsrat«, begann der Wilde endlich.
    »Wozu?«
    »Um zu fragen, ob ich mit euch auf die Inseln darf.«
    »Und was sagte er?« fragte Helmholtz eifrig.
    Der Wilde schüttelte den Kopf. »Er erlaubte es nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Er will das Experiment fortsetzen. Aber ich will verdammt sein«, fügte er plötzlich zornig hinzu, »verdammt will ich sein, wenn ich weiter ein Versuchskaninchen abgebe! Nicht um den ganzen Weltaufsichtsrat! Auch ich reise morgen.«
    »Wohin?« fragten die beiden wie aus einem Mund.
    Der Wilde zuckte die Achseln. »Irgendwohin. Egal. Nur allein sein!«
    Die Fluglinie Berlin-Bremen verlief von Stendal über der Altmark bis Salzwedel, dann über Uelzen und Münster nach
    -244-

    Soltau und weiter über Langwedel nach Bremen. Die Gegenlinie verlief ungefähr parallel dazu, über Rotenburg, Schneverdingen, Amelinghausen, Ebstorf und Lüchow. Über der Lüneburger Heide waren die beiden Linien streckenweise nicht mehr als acht bis zehn Kilometer voneinander entfernt: für unachtsame Flieger eine viel zu geringe Distanz, besonders nachts und wenn sie zu tief ins Somaschächtelchen geguckt hatten. Unfälle hatten sich ereignet, schwere Unfälle. Daher hatte man beschlossen, die Gegenlinie ein paar Kilometer nach Norden zu verlegen. Vier verlassene Flugleuchttürme zwischen Rotenburg und Lüchow bezeichneten die Strecke, die früher Bremen mit Berlin verbunden hatte. Stumm und öde lag der Himmel über ihnen.
    Denn jetzt surrten und brausten die Helikopter ohne Unterlaß über Zeven, Buchholz und Lüneburg.
    Der Wilde hatte sich den alten Leuchtturm auf dem
    Hügelrücken zwischen Schneverdingen und Amelinghausen zur Einsiedelei erwählt. Das Gebäude war aus Eisenbeton und
    vorzüglich erhalten, fast zu komfortabel, wie der Wilde bei der ersten Besichtigung fand, fast mit zu viel Luxus ausgestattet. Er beschwichtigte sein Gewissen, indem er sich zum Ausgleich eine um so strengere Selbstzucht und eine noch viel
    gründlichere Läuterung gelobte. Während seiner ersten Nacht in dieser Klause schlief er absichtlich nicht. Er verbrachte die Stunden damit, auf den Knien zu liegen und zu beten, bald zu dem Himmel, den der schuldige Claudius um Vergebung
    angefleht hatte, bald auf zuni zu Awonawilona, dann wieder zu Jesus und Pukong und seinem eigenen Schutztier, dem Adler.
    Von Zeit zu Zeit breitete er die Arme aus, als hinge er am Kreuz, und hielt sie so viele Minuten lang, bis der wachsende Schmerz ihn wie im Todeskrampf erzittern ließ; hielt sie in freiwilliger

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