Schöne Ruinen
sagte Ja.
1960 fuhr Mamoulian mit vierzig Leuten nach England, um mit den Dreharbeiten zu Cleo zu beginnen. Es war von Anfang an die Hölle. Sauwetter. Pech. Kulissen aufgebaut. Kulissen abgerissen. Kulissen wieder aufgebaut. Mamoulian brachte kein einziges Bild in den Kasten. Liz wurde krank. Aus einer Erkältung wurde eine Zahnvereiterung wurde eine Staphylokokkeninfektion wurde eine Lungenentzündung. Die Frau brauchte einen Luftröhrenschnitt und wäre auf dem OP-Tisch fast gestorben. Besetzung und Stab saßen untätig rum, tranken und spielten Cribbage. Nach sechzehn Monaten Produktion und sieben Millionen Kosten hatte Mamoulian kaum brauchbares Material. Eineinhalb Jahre, und der Mann hatte nicht mal seine eigene Körpergröße an Filmlänge geschafft. Skouras hatte keine Wahl. Er feuerte Mamoulian und schickte Joe Mankiewicz ins Rennen. Mankie verlegte das Ganze nach Italien und warf alle Schauspieler raus bis auf Liz. Holte Dick Burton als Marcus Antonius. Engagierte fünfzig Autoren, um das Drehbuch hinzubiegen. Bald waren es fünfhundert Seiten. Neun Stunden Handlung. Das Studio verlor siebzigtausend pro Tag, weil tausend Statisten rumsaßen und für nichts bezahlt wurden, und es regnete und regnete, die Leute schli chen sich mit Kameras davon, Liz trank, und Mankie redete davon, drei Teile daraus zu machen. Inzwischen steckte das Studio so tief drin, dass es nicht mehr zurückkonnte. Nicht nach zwei Jahren Produktion und zwanzig verheizten Millionen. So hielt der arme Geizkragen Skouras an dem gottverdammten Projekt fest und hoffte gegen alle Vernunft, dass am Schluss irgendwie das größte gottverdammte Filmspektakel herauskommen würde.
»Was ich über Cleopatra weiß?« Ich blickte zu Skouras auf, der mit dem Rest von meiner Cola an seinem Schreibtisch lehnte. »Ein bisschen was schon, denke ich.«
Richtige Antwort. Skouras schenkte mir nach. Dann griff er nach einem Umschlag. Reichte ihn mir. Das Foto, das ich aus dem Umschlag zog, werde ich nie vergessen. Ein Kunstwerk. Zwei Leute im Nahkampf. Und nicht bloß irgendwelche Leute. Dick Burton und Liz Taylor. Aber nicht als Antonius und Cleopatra auf einer Presseaufnahme. Knutschend auf einer Terrasse im Grand Hotel in Rom. Die Zungen tief in die Hälse gebohrt.
Eine Katastrophe. Beide waren verheiratet. Das Studio schlug sich noch mit Liz’ Scheißpublicity rum, nachdem sie die Ehe von Debbie und Eddie zerstört hatte. Und jetzt lässt sich Liz vom größten Bühnenschauspieler seiner Generation flachlegen? Und von einem erstklassigen Stecher noch dazu? Was war mit Eddie Fishers kleinen Kindern? Und Burtons Familie? Kleine walisische Scheißer mit kohlefleckigen Augen, die um ihren Daddy flennten? Die Öffentlichkeit würde den Film in der Luft zerreißen. Und das Studio. Das Budget des Films war bereits eine Guillotine, die über Skouras’ breitem grie chischem Schädel hing. Diese Affäre würde die Klinge heruntersausen lassen.
Ich starrte das Foto an.
Skouras tat sein Bestes, um zu lächeln und gelassen zu wirken. Aber seine Augen blinzelten im Rhythmus eines Metronoms. »Was meinen Sie, Deane?«
Ja, was meinte der Deane? Immer schön der Reihe nach.
Ich wusste noch etwas anderes. Allerdings noch nicht wirklich. So wie man über Sex Bescheid weiß, bevor man welchen gehabt hat. Ich hatte eine Gabe. Bloß dass mir noch nicht klar war, wie ich sie einsetzen konnte. Manchmal durchschaute ich die Menschen. Bis zu ihrem Kern. Wie ein Röntgenstrahl. Kein Lügendetektor, sondern ein Wunschdetektor. Das brachte mich manchmal auch in Schwierigkeiten. Eine Frau sagt Nein. Warum? Sie hat einen Freund. Ich höre Nein, aber ich SEHE Ja. Zehn Minuten später marschiert der Freund herein und findet seine Freundin mit einem Stück Deane im Mund vor. Unschön.
So ähnlich war es auch bei Skouras. Er sagte das eine, aber ich sah was anderes. Was jetzt, Deane? Deine ganze Karriere liegt vor dir. Und in deinem Kopf spukt noch Dooleys Rat herum. (Schau ihm nicht in die Augen. Keine unanständigen Ausdrücke. Und du darfst ihm nicht widersprechen.)
Er fragt erneut: »Also, was meinen Sie?«
Tief Luft holen. »Anscheinend sind Sie nicht der Einzige bei dem Film, der aufs Kreuz gelegt wird.«
Skouras starrte mich an. Dann richtete er sich auf und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ab da redete er mit mir wie mit einem Mann. Keine Viertelcolas mehr. Der Alte legte die Fakten auf den Tisch. Liz? Nicht in den Griff zu bekommen. Emotional. Stur.
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