Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
Vom Netzwerk:
Widerspenstig. Aber Burton war ein Profi. Und sie war nicht seine erste Klassemuschi. Unsere einzige Chance war, mit ihm zu reden. Wenn er nüchtern war.
    Na dann viel Glück. Mein erster Auftrag lautet: Bring einem NÜCHTERNEN Dick Burton in Rom bei, dass er die Finger von Liz Taylor lassen soll, weil er sonst raus ist. Nichts einfacher als das. Am nächsten Tag flog ich.
    In Rom wurde mir sofort klar, dass es nicht leicht wird. Das war nicht bloß so eine kleine Affäre. Es war Liebe. Selbst der alte Dosenöffner Burton hatte sich total verknallt. Zum ersten Mal in seinem Leben verschleißt er nicht auch noch nebenher Statistinnen und Friseurinnen. Im Grand Hotel nahm ich ihn mir vor. Bestellte ihm Skouras’ Nachricht. Spielte den Strengen. Dick lachte mich einfach aus. Ich und ihn rausschmeißen? Von wegen.
    Der größte Auftrag meines Lebens, und nach sechsunddreißig Stunden war ich mit meinem Latein am Ende. Nicht einmal eine Atombombe hätte Dick und Liz auseinandergetrieben.
    Und kein Wunder. Es war die größte Hollywood-Romanze der Geschichte. Nicht bloß ein Flirt am Set. Liebe. All diese netten Paare, deren Namen im selben Atemzug genannt werden? Blasse Imitationen. Kinderkram.
    Dick und Liz waren Götter. Begabung und Charisma in Reinform, und wie so üblich bei Göttern waren sie unerträglich, wenn sie zusammen waren. Entsetzlich. Ein hinreißender Albtraum. Betrunken, narzisstisch, grausam zu ihrer gesamten Umgebung. Hätte nur der Film die Dramatik dieser beiden gehabt! Sie filmten eine Szene so flach wie Papier, und sobald die Kameras aus waren, ging es los: Bur ton machte eine ironische Bemerkung, sie zischte etwas zurück und stürmte davon, er jagte ihr zum Hotel nach, und später berichteten die Hotelangestellten von grauenvollem Lärm – zerbrechendes Glas, Geschrei und Gestöhn –, weil man bei den beiden nicht erkennen konnte, ob sie Streit oder Sex hatten. Leere Schnapskaraffen flogen über die Balkonbrüstung. Jeden Tag krachten sie zusammen wie zwei Autos.
    Und da dämmerte es mir.
    Heilige sprechen von Epiphanie.
    Genies sprechen von Geistesblitz.
    Künstler sprechen von Muse.
    Ich spreche vom Moment meiner Geburt.
    Auf einmal verstand ich, was mich von anderen Menschen unterschied. Etwas, was ich schon immer gesehen, aber nie so richtig begriffen hatte. Das Erkennen der wahren Natur. Der Motive. Der tiefsten Wünsche. Wie vom Blitz getroffen leuchtete die Welt vor mir auf, und ich erkannte sie:
    Wir wollen, was wir wollen.
    Dick wollte Liz. Liz wollte Dick. Und wir wollen Autounfälle. Natürlich würden wir das nicht zugeben. Aber wir lieben sie. Liebe auf den ersten Blick. Tausend Leute fahren an der Davidstatue vorbei. Zweihundert sehen hin. Tausend Leute fahren an einem Autounfall vorbei. Tausend sehen hin.
    Inzwischen ist das ein alter Hut. Normal für die Computerquarkerbsenzähler mit ihren Treffern, Eye trackern und Seitenaufrufen. Doch für mich war das ein Wendepunkt. Für Hollywood. Für die Welt.
    Ich rief Skouras in L.A. an. »Das lässt sich nicht beheben.«
    Der Alte wurde still. »Heißt das, ich muss jemand anders hinschicken?«
    »Nein.« Ich redete wie mit einem Fünfjährigen. »Es heißt, es … lässt … sich … nicht … beheben. Und das wollen Sie auch gar nicht.«
    Er schäumte. Schlechte Nachrichten konnte er nicht leiden. »Was soll das blöde Gefasel?«
    »Wie viel haben Sie in den Film gesteckt?«
    »Die tatsächlichen Kosten eines Films sind nicht …«
    »Wie viel?«
    »Fünfzehn.«
    »Eher zwanzig. Und bis das Ding fertig ist, sind es fünfundzwanzig oder dreißig – vorsichtig geschätzt. Und wie viel geben sie für Publicity aus, um die dreißig Millionen wieder reinzukriegen?«
    Skouras konnte die Zahl gar nicht aussprechen.
    »Werbung, Plakate, Anzeigen in allen Zeitschriften der Welt. Acht? Sagen wir zehn. Jetzt sind wir bei vierzig. Kein Film hat jemals vierzig Millionen eingespielt. Und seien wir ehrlich: Der Film taugt nichts. Filzläuse sind amüsanter als dieser Streifen. Er stinkt schlimmer als ein Haufen Scheiße.«
    Machte ich Skouras fertig? Und ob. Aber nur, um ihn zu retten.
    »Und wenn ich Ihnen jetzt Publicity für zwanzig Millionen gratis auf dem Tablett serviere?«
    »So eine Publicity wollen wir aber nicht!«
    »Vielleicht doch.« Dann erklärte ich ihm, was am Set los war. Schnaps. Streit. Sex. Sobald die Kameras liefen, war es stinklangweilig. Aber wenn nicht? Man konnte den Blick nicht von ihnen abwenden. Marcus Antonius und

Weitere Kostenlose Bücher