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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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ich auf ihn wartete. Ich erzählte ihm, dass D- beschlossen hatte, zur Behandlung in die Schweiz zu reisen. Er sollte sich keine Sorgen um sie machen. Die Schweizer Ärzte sind die besten. Dann fuhr ich ihn zurück nach Rom zu Liz.
    Doch bevor ich sie wieder zusammenbringen konnte, gab es schon das nächste Problem. In Rom kreuzt ein Junge aus dem Hotel auf, in dem D- abgestiegen ist, und haut mir eine rein. In den drei Wochen in Rom hatte ich mich an diese um sich schlagenden Italiener gewöhnt, also gab ich ihm Geld und schickte ihn weg. Aber er legte mich rein. Traf sich mit Burton und erzählte ihm die ganze Geschichte. Dass D- nicht todkrank war, sondern schwanger. Dann brachte er Burton zu ihr. Super. Dick hat sich mit seiner schwangeren Geliebten in einem Hotel in Portovenere verkrochen. Und mein Film steht auf der Kippe .
    Aber gab sich der Deane geschlagen? Noch lange nicht. Ich rief Zanuck an, damit er Burton einen Tag lang zu einem überflüssigen Nachdreh nach Frankreich zurückbeorderte. Dann raste ich nach Portovenere, um mit dieser D- zu reden.
    Noch nie habe ich jemanden so wütend erlebt. Sie wollte mich erwürgen. Und ich konnte es auch verstehen. Wirklich. Ich entschuldigte mich. Erklärte ihr, dass ich keine Ahnung von der Krebsdiagnose des Arztes gehabt hatte. Das Ganze war einfach aus dem Ruder gelaufen. Aber dafür war ihre Karriere gesichert. Garantiert . Sie musste nur in die Schweiz fahren, dann konnte sie in jedem Fox-Film ihrer Wahl mitspielen.
    Aber die Frau war eine harte Nuss. Sie wollte weder Geld noch Filmrollen. Nicht zu fassen. Noch nie war mir eine junge Schauspielerin untergekommen, die nicht auf Arbeit, Geld oder beides aus war.
    Da begriff ich die große Verantwortung, die mit meiner Fähigkeit einherging, Wünsche zu erraten. Es ist eine Sache zu wissen, was die Menschen wirklich wollen. Und eine andere, dieses Bedürfnis in ihnen zu WECKEN . Diesen Wunsch zu SCHAFFEN .
    Ich mimte ein Seufzen. »Ich gebe zu, die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Er will doch nur, dass du diese Abtreibung machst und es für dich behältst. Können wir da nicht eine Lösung finden?«
    Sie fuhr zusammen. »Was soll das heißen? Er will doch nur …?«
    Ich zuckte nicht mit der Wimper. »Die Sache geht ihm an die Nieren. Natürlich. Er konnte dich nicht mal selbst darum bitten. Deswegen ist er heute abgereist. Es macht ihm wirklich zu schaffen, wie das Ganze gelaufen ist.«
    Sie wirkte gekränkter als nach ihrer falschen Krebsdiagnose. »Moment. Soll das heißen …« Langsam schloss sie die Augen. Sie war nicht auf die Idee gekommen, dass Dick die ganze Zeit gewusst haben könnte, was ich tat.
    Und offen gestanden, war auch ich bis zu diesem Augenblick nicht auf diese Idee gekommen. Doch irgendwie stimmte das ja auch.
    Ich tat, als hätte ich angenommen, sie wüsste, dass ich in seinem Auftrag handelte. Es musste ja alles ganz schnell gehen. Ich hatte nur einen Tag, bis Dick aus Frankreich zurückkam. Es musste aussehen, als würde ich ihn verteidigen. Ich erklärte ihr, dass sie ihm sehr wichtig war. Dass sein Vorschlag nichts daran änderte. Sie sollte ihm keinen Vorwurf machen. Seine Gefühle für sie waren echt. Doch er und Liz standen bei diesem Film eben enorm unter Druck …
    Sie unterbrach mich, weil sie zwei und zwei zusammengezählt hatte. Es war Liz’ Arzt, der ihr die Diagnose gestellt hatte. Sie bedeckte den Mund. »Liz weiß auch davon?«
    Seufzend griff ich nach ihrer Hand. Doch sie fuhr zurück, als wäre meine Hand eine Schlange.
    Ich teilte ihr mit, dass es keine Nachdreharbeiten in Frankreich gab. Dick hatte am Bahnhof von La Spezia eine Fahrkarte für sie in die Schweiz hinterlegt.
    Sie sah aus, als müsste sie sich gleich übergeben. Ich gab ihr meine Visitenkarte und versprach ihr, nach der Rückkehr in die Staaten zusammen mit ihr die Liste zukünftiger Fox-Filme durchzugehen. Sie konnte sich jede Rolle aussuchen, die sie wollte. Am nächsten Morgen fuhr ich sie zum Bahnhof. Mit ihren Koffern stieg sie aus, die Arme hingen ihr schlaff herunter. Sie starrte auf den Bahnhof und die grünen Berge dahinter. Und dann setzte sie sich in Bewegung. Ich beobachtete, wie sie im Gebäude verschwand. Und ich war mir meiner Sache völlig sicher. Sie war unterwegs in die Schweiz. In zwei Monaten würde sie in meinem Büro erscheinen. Spätestens in sechs. Nach einem Jahr. Aber sie würde kommen, um abzukassieren. Das machen alle.
    Doch ich hatte mich getäuscht. Sie fuhr nicht in die

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