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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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Schweiz. Und suchte mich auch nie auf.
    Am Vormittag kam Burton aus Frankreich zurück, um sich mit D- zu treffen. Stattdessen stieß er auf mich.
    Dick schäumte vor Wut. Wir fuhren zum Bahnhof von La Spezia, doch dort erfuhren wir, dass sie ihre Sachen bei der Gepäckaufbewahrung abgegeben hatte. Dann hatte sie kehrtgemacht und sich in Richtung Berge entfernt. Als Nächstes machten Dick und ich Station in Portovenere, aber dort war sie nicht. Ich musste sogar ein Boot mieten, um zu dem kleinen Fischerdorf zu fahren, wo ich sie eine Weile versteckt hatte. Aber auch dort war sie nicht. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
    Kurz vor unserem Aufbruch aus dem Fischerdorf passierte etwas Seltsames. Eine alte Hexe stürmte vom Hügel herunter. Fluchend und kreischend. Unser Fahrer übersetzte: »Mörder!« und »Ich verfluche dich bis in den Tod«.
    Ich schaute Burton an. Diese alte Hexe sagte ihm wirklich die Meinung. Jahre später musste ich an diesen Fluch denken, als ich mitverfolgte, wie sich der arme Dick Burton zu Tode soff.
    An diesem Tag war er sichtlich erschüttert. Der ideale Zeitpunkt, um ihm ins Gewissen zu reden.
    »Komm schon, Dick. Was hattest du denn vor? Wolltest du ein Kind mit ihr haben? Sie heiraten?«
    »Leck mich, Deane.« Seine Stimme verriet ihn. Er wusste, dass ich recht hatte.
    »Dieser Film braucht dich. Liz braucht dich.«
    Er schaute bloß hinaus aufs Meer.
    Natürlich hatte ich recht. Liz war die, die er liebte. Ich wusste es. Er wusste es. Und ich hatte es möglich gemacht.
    Ich hatte tatsächlich nur das getan, was er wollte. Auch wenn es ihm erst jetzt klar geworden war. Das war es, was Menschen wie ich für Menschen wie ihn leisteten.
    Seitdem ist das mein Platz in der Welt. Ich erkenne die Wünsche der Menschen und erfülle sie. Wünsche, von denen sie noch gar nichts gewusst haben. Wünsche, die sie sich nie selbst erfüllen könnten. Wünsche, zu denen sie sich nie bekennen würden.
    Im Boot starrte Dick vor sich hin. Blieben wir beide Freunde? Ja. Besuchten wir gegenseitig unsere Hochzeiten? Und ob. Neigte der Deane sein Haupt beim Begräbnis des großen Schauspielers? Selbstverständlich. Und keiner von uns verlor je wieder ein Wort über die Ereignisse damals in Italien. Nicht über die Frau. Nicht über das Dorf. Nicht über den Fluch der Hexe.
    Damit hatte sich der Fall.
    In Rom flammte die Liebe zwischen Dick und Liz wieder auf. Sie heirateten. Machten Filme. Gewannen Preise. Die Geschichte ist allgemein bekannt. Eine der größten Romanzen aller Zeiten. Und eine Romanze, die erst durch mich möglich wurde.
    Und der Film? Er kam heraus. Und genau wie von mir vorhergesagt, lebten wir von der Publicity dieser beiden. Die Leute meinen, Cleopatra war ein Flop. Nein. Der Film hat seine Kosten eingespielt. Aber dass es so kam, war nur mir zu verdanken. Ohne mich wäre ein Verlust von zwanzig Millio nen herausgekommen. Einen Kassenschlager kann jeder Trottel machen. Um eine Bombe zu entschärfen, braucht man schon etwas mehr Mumm.
    Das war der allererste Auftrag des Deane. Sein allererster Film. Und was macht er? Er bewahrt eine ganze Filmgesellschaft vor dem Untergang. Wirft das alte Studiosystem über Bord und baut aus dem Nichts ein neues auf.
    Und als Zanucks Sohn Dickie in diesem Sommer Fox übernahm, wurde ich natürlich reich belohnt. Kein alter Schuppen von Fox Car mehr für mich. Auch mit PR war Schluss. Doch mein eigentlicher Lohn war nicht die Stelle in der Produktion, die ich von meinem Kumpel Zanuck bekam. Mein eigentlicher Lohn waren nicht Ruhm und Geld, die sich bald einstellten. Die Frauen, das Koks oder ein Tisch in jedem beliebigen Restaurant der Stadt.
    Nein, mein Lohn war eine Vision, die meine Karriere prägen sollte:
    Wir wollen, was wir wollen.
    Und so kam es, dass ich ein zweites Mal geboren wurde. Dass ich die Welt betrat und sie für immer veränderte. Dass ich 1962 an der Küste Italiens die Prominenz erfand.
    [Anmerkung des Lektors: Beeindruckende Geschichte, Michael.
    Aber selbst wenn wir dieses Kapitel verwenden wollten, haben unsere Juristen grundlegende Einwände, die sie Dir in einem gesonderten Schreiben mitteilen werden.
    Aus Lektoratssicht möchte ich Dich auf einen anderen Punkt aufmerksam machen: Dieses Kapitel zeichnet kein sehr freundliches Bild von Dir. Das Geständnis im ersten Kapitel, dass Du zwei Ehen zerstört, einer jungen Frau eine schwere Krankheit vorgetäuscht und sie bestochen hast, um sie zur Abtreibung zu bewegen, ist vielleicht

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