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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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völlig durchgedreht, Pasquale. Die Welt ist hereingebrochen.«
    Vor Müdigkeit konnte Pasquale nicht sprechen. Wortlos ging er zur Tür und schaute hinaus auf das grüne Meer. Unten am Ufer beendeten die Fischer die Arbeit des Tages. Rauchend und lachend hängten sie die Netze auf und wuschen die Boote aus.
    Pasquale stieß die Tür auf und trat hinaus auf die Holzterrasse, um zu rauchen. Nacheinander stapften die Fischer mit dem Rest ihres Fangs den Hügel herauf, und jeder von ihnen winkte oder nickte. Tomasso der Ältere näherte sich mit einem Bündel Sardellen, das er vom Verkauf an die Touristenrestaurants zurückbehalten hatte. Ob Valeria sie vielleicht brauchen konnte? Sicher, meinte Pasquale. Tomasso ging hinein und kam einige Minuten später ohne die Fische wieder.
    Alvis Bender hatte recht. Jemand hatte die Schleusen ge öffnet, und die Welt brach herein. Pasquale hatte sich ge wünscht, dass sein verschlafenes Heimatdorf aufwachte und … das hatte er jetzt davon.
    Aus diesem Grund war er auch nicht sonderlich erstaunt, als einige Minuten später erneut das Jaulen eines Motors her überhallte und Gualfredos Zehnmeterboot gischtspritzend in die Bucht bog – diesmal nicht mit Orenzio, sondern mit Gualfredo selbst am Steuer und dem Schläger Pelle an seiner Seite.
    Pasquale hatte Angst, sich den Kiefer durchzubeißen. Diese letzte Demütigung konnte er einfach nicht mehr ertragen. In seiner Verwirrung und seinem Kummer hielt er Gualfredo auf einmal für einen schmerzhaften Stachel in seinem Fleisch, den er herausreißen musste. Er lief hinein und nahm den alten Stock seiner Mutter vom Kleiderständer. Alvis Bender blickte von seinem Wein auf und fragte: »Was ist denn, Pasquale?« Doch Pasquale machte ohne eine Antwort kehrt und marschierte mit entschlossenem Schritt die steile Strada hinunter zu den beiden Männern, die gerade aus dem Boot kletterten. Unter ihm zogen die Pflastersteine dahin, oben am rosigen Himmel die Wolken. Die letzten Sonnenstrahlen tasteten über das Ufer, die Wellen wälzten sich auf die glatten Felsen.
    Die Männer hatten das Boot verlassen und den Weg zu ihm herauf eingeschlagen. Gualfredo schnaufte hörbar. »Drei Nächte war die Amerikanerin hier, obwohl sie in meinem Hotel hätte wohnen sollen, Pasquale. Du schuldest mir Geld für diese Nächte.«
    Noch waren sie vierzig Meter entfernt, und die verblassende Sonne hing jetzt direkt hinter ihnen, sodass Pasquale den Gesichtsausdruck der Männer nicht erkennen konnte, nur ihre Silhouetten. Wortlos stapfte er weiter, in seinem Kopf brodelten die Bilder von Richard Burton und Michael Deane, von seiner Tante, die seine Mutter vergiftet hatte, von Amedea und ihrem Baby, von seinem gescheiterten Tennisplatz, von seinem Zurückweichen vor Gualfredo und der bitteren Wahrheit über sich selbst: dass er im tiefsten Kern ein Schwächling war.
    »Der Tommy hat die Barzeche geprellt.« Gualfredo war nur noch zwanzig Meter weg. »Die kannst du auch gleich zahlen.«
    »Nein«, antwortete Pasquale schlicht.
    »Nein?«
    Hinten im Hotel kam Alvis Bender auf die Terrasse. »Alles klar da unten, Pasquale?«
    Gualfredo schaute hinauf zum Hotel. »Und du hast noch einen amerikanischen Gast? Was läuft hier eigentlich, Tursi? Ich glaube, ich muss die Steuer verdoppeln.«
    Genau an der Mündung des Wegs in die Piazza, wo der Uferboden dem ersten Pflasterstein wich, traf Pasquale auf die beiden. Gualfredo öffnete den Mund, um weiterzusprechen, doch bevor er etwas sagen konnte, holte Pasquale mit dem Stock aus. Krachend sauste er auf den Stiernacken des Schlägers Pelle, der offenbar wegen Pasquales kleinlautem Benehmen beim letzten Besuch nicht mit so einem Angriff gerechnet hatte. Der Riese taumelte zur Seite und stürzte wie ein gefällter Baum in den Dreck. Pasquale riss den Stock hoch, um wieder zuzuschlagen … doch er war am Nacken des Hünen auseinandergebrochen. Er warf den Griff weg und ging mit bloßen Fäusten auf Gualfredo los.
    Doch der Hotelier war ein erfahrener Kämpfer. Gewandt wich er Pasquales Schwinger aus und landete zwei wuchtige Hiebe – der erste Treffer an der Wange brannte, der zweite am Ohr löste ein dumpfes Sausen aus und ließ ihn nach hinten gegen den hingestreckten Pelle torkeln. In der Einsicht, dass seine Wut allein nicht ausreichte, stürzte sich Pasquale auf den fettwabbelnden Rumpf seines Gegners, um sich dessen direkten Schlägen zu entziehen. Er selbst drosch wild um sich, und seine Handgelenke, Fäuste, Ellbogen

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