Schöne Ruinen
wieder.«
»Danke«, ächzte Pelle.
Pasquale lief hinauf, um nach Dee Moray zu sehen. Wie seine Tante berichtet hatte, schlief sie noch immer. Offenbar hatte sie nichts von dem Gewehrschuss mitbekommen, der das kleine Scharmützel beendet hatte.
Als Pasquale wieder nach unten kam, lehnte Gualfredo an der Mauer der Piazza. Den Blick immer noch auf Lugos Gewehr gerichtet, sprach er Pasquale leise an: »Du machst da einen großen Fehler, Tursi. Das ist dir doch klar, oder? Einen sehr großen Fehler.«
Pasquale schwieg.
»Du weißt, dass ich wiederkomme. Und meine Waffen werden nicht von alten Fischern abgefeuert.«
Pasquale blieb nichts anderes übrig, als den Bankert Gualfredo möglichst kühl anzustarren, bis der schließlich den Blick abwandte.
Wenig später machten sich Gualfredo und der hinkende Pelle auf den Weg zurück zu ihrem Boot. Lugo begleitete sie, als wären sie alte Freunde, und hielt das Gewehr im Arm wie ein langes, mageres Baby. Unten am Wasser wandte sich der alte Kriegsheld an Gualfredo, sagte ein paar Sätze, deutete zum Dorf und gestikulierte mit dem Karabiner. Dann stieg er wieder hinauf zur Piazza, wo Pasquale und Alvis Bender saßen, um sich ein wenig zu erholen. Das Boot legte ab, und kurz darauf waren Gualfredo und Pelle in der Dunkelheit verschwunden.
Auf der Hotelterrasse schenkte Pasquale dem Alten ein Glas Wein ein.
Lugo der Kriegsheld nahm einen langen, tiefen Schluck und schaute hinüber zu Alvis Bender, dessen Beitrag zum Kampf so winzig gewesen war. »Liberatore«, bemerkte er mit einem Anflug von Sarkasmus. Befreier. Alvis Bender nickte bloß. Pasquale hatte noch nie darüber nachgedacht, dass es eine ganze Generation von Männern gab, die vom Krieg geprägt worden waren – auch sein Vater – und doch kaum jemals miteinander darüber redeten. Auch Alvis hatte immer von seinem Krieg gesprochen, als hätten Millionen von Menschen in Millionen verschiedenen Kriegen gekämpft.
Pasquale wandte sich an Lugo. »Was hast du zu Gualfredo gesagt?«
Lugos Blick wanderte zum Ufer. »Ich habe ihm gesagt, ich weiß, dass er im Ruf steht, ein harter Bursche zu sein, aber wenn er das nächste Mal in Porto Vergogna auftaucht, schieße ich ihm die Beine weg, und wenn er sich dann am Strand windet, ziehe ich ihm die Hose runter, ramme ihm meinen Schießprügel in den fetten Arsch und drücke ab. Ich habe ihm gesagt, dass er in der letzten Sekunde seines mickrigen Lebens spüren wird, wie ihm die Scheiße aus dem Kopf quillt.«
Weder Pasquale noch Alvis Bender fiel dazu etwas ein. Wortlos beobachteten sie, wie der alte Lugo den Wein austrank, das Glas auf den Tisch stellte und zurück zu seiner Frau ging. Sanft nahm sie ihm das Gewehr ab, dann trat er in sein kleines Haus.
18
Frontmann
Unlängst
Sandpoint, Idaho
U m 11 Uhr 14 hebt die unglückselige Deane-Party vom Flughafen Los Angeles zu einem Direktflug mit Virgin Airlines nach Seattle ab, zur ersten Etappe ihrer epischen Reise, und belegt dabei eine ganze Sitzreihe der ersten Klasse. Auf 2A starrt Michael Deane durchs Fenster und hängt Fantasien über diese Schauspielerin nach, die genauso aussieht wie vor fünfzig Jahren (er ebenfalls) und ihm sofort verzeiht ( Schwamm drüber, mein Freund ) . Auf 2B blickt Claire Silver ehrfürchtig flüsternd hin und wieder von dem gestrichenen Kapitel aus Michael Deanes Memoiren auf ( Das gibt’s doch nicht … Richard Burtons Kind? ) . Die Geschichte ist auf eine so nüchterne Art verstörend, dass ihre Entscheidung für die Stelle im Sektenmuseum damit eigentlich besiegelt sein müsste, doch ihr Widerwille wird allmählich verdrängt von Faszination und Neugier, und sie blättert immer schneller durch die maschinengeschriebenen Seiten, ohne darauf zu achten, dass Shane Wheeler auf der anderen Seite des Gangs in 2C beiläufig plumpe Versuche unternimmt, seine Verhandlungsposition zu verbessern (I ch weiß nicht, vielleicht sollte ich Donner! auch noch anderen vorlegen … ) . Als er bemerkt, wie versunken Claire in diesen Text ist, den ihr Michael Deane gegeben hat, steigt in Shane die Sorge auf, dass es ein anderes Drehbuch sein könnte, vielleicht sogar noch ausgefallener als seine Filmidee, und er stellt seine schüchternen Manöver sofort ein. Er wendet sich dem alten Pasquale Tursi in 2D zu und macht höfliche Konversation (»È sposato?« Sind Sie verheiratet? »Sì, ma mia moglie è morta.« Ja, aber meine Frau ist tot. »Ah. Mi dispiace. Figli?« Mein Beileid. Kinder? »Sì, tre
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