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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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– alles, was er hatte – krachten mit tiefem Melonendröhnen und hellem Klatschen gegen Gualfredos Schädel.
    Doch dann landete auf einmal Pelles Riesenpranke auf seinem Haar, eine zweite schaufelartige Hand fiel auf seinen Rücken, und er wurde weggeschleift. Zum ersten Mal kam Pasquale auf die Idee, dass die Sache schlecht für ihn ausgehen könnte, dass er mehr brauchte als seinen Zorn und einen zerbrochenen Stock, um sich hier zu behaupten. Dann war selbst die Wut verraucht, und Pasquale gab ein leises Wimmern von sich, wie ein weinendes, erschöpftes Kind. Wie ein Dampfhammer aus dem Nichts bohrte sich Pelles Faust in Pasquales Magen. Er wurde zu Boden geschmettert, und als er in sich zusammensank, war seine Lunge plötzlich wie zubetoniert.
    Mit tiefem Stirnrunzeln ragte der massige Pelle über ihm auf, umrahmt von den Sternen, die Pasquale sah, als er keuchend darauf wartete, dass ihn der Dampfhammer endgültig zur Strecke brachte. Nach vorn gebeugt scharrte Pasquale in der Erde und fragte sich, warum er das Meer nicht roch, obwohl ihm klar war, dass er ohne Luft auch nichts riechen konnte. Pelle schob sich ein wenig vor, und dann zuckte plötzlich ein Schatten über die Sonne, und Pasquale bemerkte, wie Alvis Bender von der Felswand auf den breiten Rücken Pelles sprang, der kurz zögerte (er ähnelte einem Musikschüler mit einem Gitarrenkoffer über der Schulter), ehe er nach hinten griff und den hochgewachsenen, dünnen Amerikaner von seinem Rücken schnippte, sodass dieser wie ein feuchter Lumpen über das felsige Ufer schlitterte.
    Pasquale wollte sich hochrappeln, aber seine Lunge verweigerte noch immer den Dienst. Pelle machte einen Schritt auf ihn zu, und dann passierten drei völlig unerwartete Dinge gleichzeitig: vor ihm machte es leise FLATSCH , hinter ihm knallte es laut, und aus dem großen linken Fuß des Riesen spritzte es rot heraus. Unmittelbar darauf schrie Pelle auf, und er krümmte sich nach vorn, um nach seinem Fuß zu fassen.
    Nach Luft ringend, blickte Pasquale über seine linke Schulter. Der alte Lugo, der noch seine Montur zum Fischputzen trug, näherte sich ihnen auf dem schmalen Pfad und ließ den Verschluss einrasten, um seinen Karabiner nachzuladen, an dessen schmutzigem Lauf ein grüner Zweig hing, weil er die Waffe offenbar in aller Eile aus dem Garten seiner Frau gerissen hatte. Das Gewehr war auf Gualfredo gerichtet.
    »Ich würde dir deinen winzigen Pimmel wegschießen, Gualfredo, bloß mein Arm ist nicht mehr so zielsicher wie früher«, erklärte Lugo. »Aber deine fette Wampe würde sogar ein Blinder treffen.«
    »Der Alte hat mir in den Fuß geschossen, Gualfredo«, stellte der Riese Pelle sachlich, ja fast förmlich fest.
    In der nächsten Minute wurde reichlich gestöhnt und geschlurft, und Pasquales Lunge ließ endlich wieder Luft herein. Wie Kinder, die etwas angestellt haben, kamen die Männer zur Vernunft, was ihnen umso leichter fiel, als jemand mit einem Gewehr darüber wachte, dass wieder Ordnung einkehrte. Mit einer dicken Beule über dem Auge setzte sich Alvis Bender auf; Pasquale hatte noch immer ein Klingeln im Ohr, und Gualfredo rieb sich den schmerzenden Kopf. Am schlimmsten hatte es Pelle erwischt: eine Kugel hatte seinen Fuß durchschlagen.
    Fast ein wenig enttäuscht betrachtete Lugo Pelles Wunde. »Ich habe auf deine Füße gezielt, um dich aufzuhalten«, erklärte er. »Ich wollte dich nicht umbringen.«
    »Ein schwieriger Schuss«, bemerkte der Riese nicht ohne Bewunderung.
    Die Sonne hing inzwischen nur noch als verschwommener Fleck am Horizont, und Valeria war mit einer Laterne vom Hotel heruntergekommen. Sie erzählte Pasquale, dass die Amerikanerin wohl sehr erschöpft war, denn sie hatte den ganzen Tumult verschlafen. Dann stand Lugo mit seinem Gewehr daneben, als Valeria Pelles Wunde reinigte und ihm den Fuß fest mit dem abgerissenen Streifen eines Kopfkissenüberzugs und Fischerzwirn verband, ohne dem Zusammenzucken des Hünen Beachtung zu schenken.
    Alvis Bender schien sich besonders für Pelles verletzten Fuß zu interessieren, denn er stellte immer wieder Fragen. Tat es weh? Konnte er noch gehen? Wie hatte es sich angefühlt?
    »Im Krieg habe ich viele Wunden gesehen.« Mit seltsamer Zärtlichkeit betrachtete Valeria den Riesen, der gekommen war, um ihren Neffen zu verprügeln. »Der Schuss ist einfach durchgegangen.« Sie versetzte die Laterne und wischte den Schweiß von Pelles bierfassgroßem Kopf. »Das wird schon

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