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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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figli e sei nipoti.« Ja, drei Kinder und sechs Enkel. ) Das Gespräch über seine Familie macht Pasquale verlegen. Wie sentimental muss man sein, um in hohem Alter wie ein liebestoller Jüngling einer Frau nachzujagen, die man genau drei Tage gekannt hat! Was für ein Irrsinn.
    Aber sind nicht alle diese Bestrebungen Irrsinn? Die Suche nach Eldorado, nach der Quelle des ewigen Lebens, nach intelligentem Leben im Kosmos. Was bereits da ist, wissen wir. Was uns wirklich antreibt, ist das, was noch nicht da ist. Der technische Fortschritt mag die epische Reise auf zwei kurze Autofahrten und Inlandsflüge verkürzt haben – vier Bundesstaaten und knapp zweitausend Kilometer an einem Nachmittag –, doch wahre Missionen werden ohnehin nicht an Zeit und Entfernung gemessen, sondern an der Hoffnung. Eine Mission wie diese kann nur für zwei Arten von Suchenden gut ausgehen: den Zufallsentdecker (nach Asien segeln und über Amerika stolpern) und Vogelscheuchen und Blechmänner (herausfinden, dass man das Gesuchte schon längst gefunden hat).
    In der Smaragdstadt steigt die tragische Deane-Party um, und Shane erwähnt ganz nebenbei, dass William Eddy für die Strecke, die sie in zwei Stunden zurückgelegt haben, Monate gebraucht hätte.
    »Und wir mussten noch nicht mal jemanden essen«, bemerkt Michael Deane und fügt unheilvoller als beabsichtigt hinzu: »Bis jetzt.«
    Für die letzte Etappe müssen sie sich in eine Pendlermaschine zwängen, eine Zahnpastatube voller heimkehrender Studenten und regionaler Kundenbetreuer. Zum Glück geht es recht schnell: zehn Minuten auf der Rollbahn, zehn Minuten im Steigflug über ein brotmesserartiges Gebirge, noch mal zehn über einer zerfurchten Wüste, weitere zehn über einem Flickenteppich aus Farmland, dann öffnet sich ein Wolkenvorhang, und sie schweben auf eine pummelige, von Kiefern umringte Stadt zu. Auf dreitausend Fuß Höhe heißt sie der Pilot schläfrig und etwas voreilig willkommen in Spokane, Washington, Bodentemperatur zwölf Grad.
    Nach dem Aufsetzen stellt Claire fest, dass sechs von ihren acht Anrufen und SMS von Daryl stammen, der jetzt schon seit sechsunddreißig Stunden nicht mit ihr geredet hat und allmählich argwöhnt, dass da etwas nicht stimmt. Die erste Nachricht lautet: Bist du sauer. Die zweite: Die Stripclubs. Claire steckt das Telefon weg, ohne die anderen zu lesen.
    Von der Gangway zockeln sie durch ein sauberes, helles Flughafengebäude, das wie ein Busbahnhof aussieht, vorbei an elektronischen Anzeigen für indische Kasinos, Fotos von Bächen und alten Backsteinhäusern und Schildern, die sie im »Inland Northwest« begrüßen. Sie geben ein seltsames Bild ab: der alte Pasquale in dunklem Anzug, mit Hut und Stock, als wäre er einem Schwarz-Weiß-Film entstiegen; Michael Deane, der wie ein anderes Zeitreiseexperiment aussieht: ein schlurfender Großvater mit Babygesicht; Shane, der sich aus Sorge, es mit seinen Andeutungen übertrieben zu haben, ständig durchs Haar fährt und wie von ungefähr fallen lässt: »Ich habe auch noch andere Ideen.« Nur Claire hat die Reise gut überstanden, und das erinnert Shane wieder an William Eddys Himmelfahrtskommando: Auch dort waren es vor allem die Frauen, die die anstrengende Reise überlebten.
    Der Nachmittagshimmel ist kreidefarben, die Luft knis tert. Keine Spur von der Stadt, über die sie geflogen sind, nur Bäume und Basaltstumpen, die die Parkhäuser des Flughafens umgeben.
    Ein von Michaels Mitarbeiter Emmett beauftragter Privatdetektiv erwartet sie, ein dünner Mann über fünfzig mit angehender Glatze, der an einem schmutzigen Ford Expedition lehnt. Er trägt einen schweren Mantel über einer Anzugjacke und hält ein nicht unbedingt vertrauenerweckendes Schild: MICHAEL DUNN .
    Sie nähern sich, und Claire fragt: »Michael Deane ?«
    »Wegen der alten Schauspielerin?« Der Detektiv nimmt kaum Notiz von Michaels Gesicht – als hätte man ihm eingeschärft, es ja nicht anzustarren. Er stellt sich als Alan vor, pensionierter Cop und Privatermittler. Er öffnet die Türen und verstaut ihr Gepäck. Claire gleitet auf die Rückbank zwischen Michael und Pasquale, und Shane hüpft auf den Vordersitz neben den Detektiv.
    In dem Geländewagen reicht ihnen Alan eine Mappe. »Ich hatte Anweisung, die Sache mit Hochdruck zu behandeln. Für vierundzwanzig Stunden ziemlich gründliche Arbeit, wenn ich das so sagen darf.«
    Die Mappe wandert nach hinten, und Claire übernimmt die Regie. Schnell blättert sie zu

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