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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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Tennisplatz herum und schielte gelegentlich hinauf zu den weiß gestrichenen Läden vor ihren Zimmerfenstern. Am späten Nachmittag, als sich die verwilderten Katzen auf den Felsen sonnten, riffelte ein kühler Frühlingswind die Meeresoberfläche, und Pasquale zog sich auf die Piazza zurück, um allein zu rauchen, ehe die Fischer zum Trinken vorbeikamen. In der Pen sione blieb alles still, und nichts deutete darauf hin, dass die schöne Amerikanerin da oben war. Abermals beschlich Pas quale die Sorge, er könnte sich das alles nur eingebildet haben – Orenzios schaukelndes Boot, das in die Bucht einlief, die hochgewachsene, schlanke Amerikanerin, die die schmale Treppe zum besten Zimmer des Hotels im zweiten Stock hinaufstieg, die Fensterläden aufstieß, die salzige Luft einatmete und sie als »herrlich« bezeichnete, Pasquales Auf forderung an sie, ihm sofort Bescheid zu geben, »wenn es gibt Wunsch glücklich machen«, und ihr »Danke«, mit dem sie die Tür schloss und ihn allein die dunkle, enge Treppe hinuntersteigen ließ.
    Entsetzt stellte Pasquale fest, dass Tante Valeria zum Abend essen ihren unverwechselbaren Ciuppin machte, eine Suppe aus Seebarben, Tomaten, Weißwein und Olivenöl. »Glaubst du, ich setze deine stinkende Fischbrühe einem amerikanischen Filmstar vor?«
    »Wenn’s ihr nicht schmeckt, soll sie es stehen lassen«, erwiderte Valeria.
    So stapfte Pasquale in der Abenddämmerung, als die Fischer unten ihre Boote in die Bucht zogen, die schmale, aus der Felswand gehauene Treppe hinauf. Leise klopfte er an die Tür im zweiten Stock.
    »Ja?«, rief die Amerikanerin von drinnen, und die Bettfedern ächzten.
    Pasquale räusperte sich. »Tut mir leid, ich störe. Sie essen Antipasti und Zuppa, ja?«
    »Zuppa?«
    Pasquale war wütend, weil er seiner Tante den Ciuppin nicht hatte ausreden können. »Ja, ist Zuppa. Mit Fisch und Vino. Eine Fischzuppa?«
    »Ach, Suppe. Nein, danke. Ich glaube, im Moment kann ich nichts essen.« Gedämpft drang ihre Stimme durch die Tür. »Ich fühle mich nicht so gut.«
    »Ja«, antwortete er. »Verstehe.«
    Als er hinunterstieg, wiederholte er im Kopf immer wieder das Wort Suppe. In seinem Zimmer im ersten Stock verspeiste er das Abendessen der Amerikanerin. Der Ciuppin war ziemlich gut. Das Postschiff brachte noch immer einmal wöchentlich die Zeitungen seines Vaters, die er jetzt hervorholte. Er studierte sie nicht so genau wie sein Vater, sondern blätterte nur darin herum, auf der Suche nach Meldungen über die amerikanische Filmproduktion Cleopatra. Doch er fand nichts.
    Später hörte er Getrampel in der Trattoria und ging hinaus, obwohl er nicht damit rechnete, Dee Moray zu sehen, die alles andere als trampelhaft war. Nein, an beiden Tischen drängten sich einheimische Fischer, in der Hoffnung, einen Blick auf die sagenhafte Amerikanerin zu erhaschen. Ihre Mützen lagen auf den Tischen, das fettige Haar klebte ihnen sorgfältig gekämmt am Schädel. Valeria servierte ihnen Suppe, doch die Fischer warteten eigentlich nur darauf, mit Pasquale zu reden, da sie bei der Ankunft der Amerikanerin mit ihren Booten draußen auf dem Meer gewesen waren.
    »Hab gehört, sie ist zweieinhalb Meter groß«, ließ sich der Kriegsheld Lugo vernehmen, der den zweifelhaften Ruhm für sich in Anspruch nahm, mindestens einen Soldaten jeder wichtigen Nation getötet zu haben, die auf der europäischen Bühne des Zweiten Weltkriegs aufgetreten war. »Muss eine Riesin sein.«
    »Red kein dummes Zeug.« Pasquale schenkte Wein in ihre Gläser.
    »Was hat sie für Brüste?«, fragte Lugo ernst. »Runde Hügel oder freche Spitzen?«
    »Ich kann euch erzählen, wie amerikanische Frauen sind«, rief Tomasso der Ältere, dessen Cousin eine Americana geheiratet hatte. Deshalb war er Experte nicht nur für die Frauen, sondern auch für all die anderen Dinge, die aus diesem Land kamen. »Amerikanerinnen kochen nur eine Mahlzeit pro Woche, dafür machen sie schon vor der Hochzeit Fellatio. Also Licht und Schatten wie sonst auch im ganzen Leben.«
    »Ihr solltet aus einem Trog fressen wie die Schweine!«, fauchte Valeria aus der Küche.
    »Heirate mich, Valeria!«, antwortete Tomasso der Ältere. »Ich bin zu alt für Sex, und bald bin ich auch noch stocktaub. Wir sind wie füreinander geschaffen.«
    Tomasso der Kommunist, der Fischer, den Pasquale am liebsten mochte, kaute nachdenklich an seiner Pfeife. Jetzt nahm er sie aus dem Mund, um sich ins Gespräch einzuschalten. Als Kinofreund und

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