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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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Fischer waren in ihren Booten aufgebrochen, um sich im zusätzlichen Licht in die wirbelnde Strömung des Frühjahrsschmelzwassers zu wagen. Rauchend lehnte Pasquale an dem Geländer, das er gebaut hatte, grübelte über die hässliche Begegnung mit Gualfredo und dem Riesen Pelle nach und stellte sich vor, wie er ihm Paroli bot (Nimm deine Abgabe und steck sie deinem großen Freund mit deiner Schlangenzunge in den fetten Arsch, Gualfredo) . Plötzlich hörte er, wie sich hinter ihm die Tür öffnete und wieder schloss. Er blickte über die Schulter, und da war sie, die schöne Amerikanerin. Sie trug eine enge schwarze Hose und einen weißen Pullover. In blonden und braunen Strähnen hing ihr das offene Haar bis über die Schultern. Sie hatte etwas in der Hand. Maschinengeschriebene Seiten.
    »Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?«, fragte sie.
    »Ja. Ist meine Ehre«, antwortete Pasquale. »Sie fühlen gut, nein?«
    »Besser, danke. Ich hab nur Schlaf gebraucht. Darf ich?« Sie streckte die Hand aus, und Pasquale wusste zuerst nicht, was sie meinte. Schließlich kramte er seine Zigarettenschachtel aus der Hose. Er öffnete sie, und sie nahm sich eine. Pasquale dankte seinen Händen für ihre ruhige Folgsamkeit, als er ein Streichholz anriss und es ihr hinhielt.
    »Danke, dass Sie Englisch sprechen«, erklärte sie. »Mein Italienisch ist schauderhaft.« Sie stützte sich auf das Geländer, machte einen tiefen Zug und stieß den Rauch mit einem Seufzer aus. » Wuuuhhh , das tut gut.« Sie fixierte die Zigarette in ihrer Hand. »Stark.«
    »Ist spanisch.« Pasquale suchte nach Worten. »Muss ich fragen: Sie suchen aus, ja, kommen hier nach Porto Vergogna? Nicht Porto venere oder Porto fino ?«
    »Nein, das hier ist der richtige Ort. Ich bin hier mit jemandem verabredet. Es war seine Idee. Er kommt morgen, hoffe ich. Wie ich höre, ist dieses Dorf ruhig und … diskret?«
    Pasquale nickte. »O ja.« Er nahm sich vor, das Wort des-kreht im Wörterbuch seines Vaters nachzuschlagen. Hoffentlich hieß es romantisch .
    »Ach. Das hab ich in meinem Zimmer gefunden. In der Kommode.« Sie reichte Pasquale den ordentlichen Stapel Blät ter, den sie heruntergebracht hatte: Das Lächeln des Himmels . Es war das erste Kapitel eines Romans und stammte von dem einzigen anderen amerikanischen Gast, der das Hotel bisher besucht hatte: dem Autor Alvis Bender, der jedes Jahr seine kleine Schreibmaschine und einen Schwung leeres Kohlepapier anschleppte, um sich zwei Wochen lang zu betrinken und gelegentlich zu schreiben. Er hatte eine Kopie des ersten Kapitels dagelassen, mit der Pasquale und sein Vater allerdings nicht viel anfangen konnten.
    »Ist Seiten von Buch«, erklärte Pasquale. »Von einem Amerikaner, ja? Ein … Schriftsteller. Er kommt zu Hotel. Jedes Jahr.«
    »Meinen Sie, es würde ihm was ausmachen? Ich hab nichts zu lesen dabei, und die Bücher hier sind anscheinend alle italienisch.«
    »Ist okay, glaube ich, ja.«
    Sie nahm den Stapel wieder an sich und blätterte kurz darin, ehe sie ihn auf das Geländer legte. Mehrere Minuten lang blickten sie schweigend hinaus zu den Laternen, deren Spiegelungen auf der Meeresoberfläche schaukelten wie aufgereihte Lichter.
    »Wunderschön«, hauchte sie.
    »Mm«, machte Pasquale, doch dann fiel ihm Gualfredos Bemerkung ein, dass er die Frau hier nicht angemessen bewirten konnte. Er besann sich auf einen Ausdruck aus einem alten Sprachführer, um sein Anliegen zu formulieren. »Bitte, ich erkundige Ihre Unterkunft?« Als sie stumm blieb, fügte er hinzu: »Sie haben Befriedigung, ja?«
    »Ich habe … Entschuldigung … was?«
    Er leckte sich die Lippen, ehe er es erneut versuchte. »Will ich sagen, dass …«
    Sie half ihm aus der Klemme. »Ach, Zufriedenheit. Unterkunft. Natürlich. Alles sehr gut, Mr. Tursi.«
    »Bitte … bin ich Pasquale.«
    Sie lächelte. »Okay, Pasquale. Wir können uns gern duzen. Ich bin Dee.«
    »Dee.« Pasquale nickte erfreut. Es hatte etwas schwindelerregend Verbotenes, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen, und noch einmal entschlüpfte ihm das Wort. »Dee.« Plötzlich wurde ihm klar, dass er etwas anderes sagen musste, wenn er nicht den ganzen Abend Dee wiederholen wollte. »Dein … Zimmer ist nahe von Toilette, ja, Dee?«
    »Sehr komfortabel«, antwortete sie. »Danke, Pasquale.«
    »Wie lang bleibst du?«
    »Ich … ich weiß es nicht. Mein Freund hat noch ein paar Dinge zu erledigen. Vielleicht kommt er schon morgen, dann sehen wir weiter. Brauchst

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