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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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Nummer war. Inzwischen ist es mir peinlich. Cheerleader. Jahrmarktsprinzessin.« Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. »Nach der Highschool bin ich nach Seattle gezogen, um zu spielen. Das Leben hat mir zugewinkt, als müsste ich nur aus dem Wasser auftauchen. Die Luft anhalten und an die Oberfläche schwimmen – zu einer Art Ruhm oder Glück oder … ich weiß auch nicht …« Sie senkte den Blick. »Irgendwas.«
    Aber Pasquale war an einem Wort hängen geblieben und wusste nicht, ob er richtig gehört hatte: Prinzessin ? Soviel er wusste, gab es in Amerika keinen Adel, aber wenn doch … was würde es für sein Hotel bedeuten, wenn dort eine Prinzessin abgestiegen war?
    »Alle haben immer zu mir gesagt, geh nach Hollywood … du musst zum Film. Ich hab in einem Laientheater gespielt, und sie haben Geld für mich gesammelt, damit ich hinkomme. Ist das nicht unglaublich?« Wieder nahm sie einen tiefen Zug. »Vielleicht wollten sie mich loswerden.« Dann lehnte sie sich vor, wurde vertraulich. »Ich hatte … eine Affäre mit einem Schauspieler. Er war verheiratet. Einfach blöd.«
    Sie starrte ins Leere und lachte auf. »Das hab ich noch nie jemandem erzählt, aber ich bin zwei Jahre älter, als alle denken. Dem Mann für die Besetzung von Cleopatra hab ich erzählt, dass ich zwanzig bin. Aber in Wirklichkeit bin ich zweiundzwanzig.« Sie blätterte in Alvis Benders Romankapitel, als enthielte es die Geschichte ihres Lebens. »Ich hab mir einen neuen Namen zugelegt und dachte mir, da kann ich mir doch auch ein neues Alter zulegen. Wenn du denen dein richtiges Alter nennst, sitzen sie da und fangen an zu rechnen, wie viele Jahre im Geschäft dir noch bleiben. Schrecklich. Das hab ich einfach nicht ertragen.« Achselzuckend legte sie den Papierstapel wieder hin. »Meinst du, das war falsch?«
    Seine Chance auf eine richtige Antwort stand fünfzig zu fünfzig. »Ja?«
    Sie wirkte ein wenig enttäuscht. »Ja, wahrscheinlich hast du recht. So was holt dich irgendwann garantiert ein. Das ist wie mit der Sache, die ich am meisten an mir hasse. Meine Eitelkeit. Das ist vielleicht auch der Grund …« Sie ließ den Gedanken unvollendet. Stattdessen zog sie ein letztes Mal an ihrer Zigarette, ließ die Kippe auf die Holzterrasse fallen und trat sie mit ihrem Segeltuchschuh aus. »Mit dir kann man sich schön unterhalten, Pasquale.«
    »Ja, hab ich Freude mit dir reden«, sagte er.
    »Ich auch. Ich habe auch Freude.« Sie löste sich vom Geländer und schlang die Arme um ihre Schultern. Erneut richtete sie den Blick auf die Lichter der Fischer. Mit den Armen um den Körper wirkte sie noch größer und dünner. Sie schien über etwas nachzugrübeln. Dann fragte sie mit leiser Stimme: »Haben sie dir gesagt, dass ich krank bin?«
    »Ja. Mein Freund Orenzio, er erzählt es mir.«
    »Hat er dir auch erzählt, was mir fehlt?«
    »Nein.«
    Sie berührte ihren Bauch. »Kennst du das Wort Tumor ?«
    »Ja.« Leider kannte er dieses Wort tatsächlich. Tumore auf Italienisch. Er starrte seine brennende Zigarette an. »Ist gut, nein? Die Ärzte. Sie können …«
    »Ich glaube nicht«, antwortete sie. »Es ist eine sehr schlimme Form. Sie behaupten, sie können was tun, aber ich glaube, sie wollen es mir bloß ein wenig leichter machen. Ich wollte es dir nur sagen, um zu erklären, warum ich so freimütig bin … frank und frei. Verstehst du?«
    »Sinatra?« Pasquale fragte sich, ob das der Mann war, auf den sie wartete.
    Sie lachte. »Nein. Oder doch, aber es heißt auch … offen, aufrichtig.«
    Aufrichtiger Sinatra.
    »Als ich erfahren habe, wie schlimm es ist … hab ich beschlossen, dass ich ab jetzt einfach sage, was ich denke, dass ich mir jetzt keine Gedanken mehr darüber mache, ob ich auch höflich genug bin oder was die Leute von mir halten. Für eine Schauspielerin ist das eine große Sache, nicht mehr dem Blick anderer Leute genügen zu wollen. Eigentlich fast unmöglich. Aber ich möchte einfach keine Zeit mehr damit verschwenden, dass ich Dinge sage, die ich nicht meine. Ich hoffe, das ist okay für dich.«
    »Ja.« Mit stiller Erleichterung entnahm Pasquale ihrer Reaktion, dass er wieder ins Schwarze getroffen hatte.
    »Gut, dann schließen wir ein Abkommen, du und ich. Wir tun und sagen genau, was wir meinen. Zum Teufel damit, was die anderen davon halten. Wenn wir rauchen wollen, rauchen wir, wenn wir schimpfen wollen, schimpfen wir. Wie findest du das?«
    »Mag ich sehr gern«, erwiderte Pasquale.
    »Gut.« Sie

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