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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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ins Bad ging, doch auch am nächsten Morgen zeigte sie sich nicht, und er arbeitete weiter an seinem Strand. Als er zum Mittagessen wieder im Hotel eintraf, erfuhr er von seiner Tante Valeria, dass Dee Moray heruntergekommen war und einen Espresso, ein Stück Torta und eine Orange zu sich genommen hatte.
    »Was hat sie gesagt?«, erkundigte sich Pasquale.
    »Woher soll ich das wissen. Diese furchtbare Sprache. Wie wenn jemand an einem Knochen erstickt.«
    Pasquale schlich die Stufen hinauf und lauschte an der Tür, doch Dee Moray gab keinen Laut von sich.
    Wieder unten am Strand, konnte er nicht recht erkennen, ob die Strömung erneut Sand weggespült hatte. Er kletterte vorbei an der Pensione, hinauf zu den Felsbrocken, wo er seinen Tennisplatz abgesteckt hatte. Die hoch über der Küste stehende Sonne wurde von zarten Wolken verdeckt, die den Himmel ausdehnten und ihm das Aussehen einer Glaskuppel verliehen. Beim Anblick der Pflöcke, die seinen zukünftigen Tenniscourt markierten, stieg Scham in ihm auf. Selbst wenn er es schaffte, ausreichende – am Rand der Felsen fast zwei Meter hohe – Formen für den Beton zu bauen und einen Teil des Feldes über den Hang hinausragen zu lassen, musste er mit Dynamit ein Stück aus den Klippen sprengen, um die nordöstliche Ecke flach zu bekommen. Oder war vielleicht auch ein kleinerer Tennisplatz möglich? Vielleicht mit kleineren Schlägern?
    Gerade hatte er sich eine Zigarette angesteckt, um darüber nachzudenken, da bemerkte er ein Boot, das um das kleine Kap bei Vernazza bog. Er beobachtete, wie es sich von der Brandung am Meeressaum entfernte, und hielt den Atem an, als es Riomaggiore passierte. Allmählich kam es näher, und er erkannte, dass es Orenzios Mahagoniboot war und dass Orenzio zwei Leute dabeihatte. Noch mehr Amerikaner, die in sein Hotel wollten? Er wagte es gar nicht zu hoffen. Wahrscheinlich fuhr das Boot ohnehin vorbei zum malerischen Portovenere oder weiter nach La Spezia. Doch nein, es wurde tatsächlich langsamer und steuerte in die enge Bucht seines Heimatdorfs.
    Von einem Felsen zum nächsten hüpfend, kletterte Pasquale vom Tennisplatz aus nach unten. Schließlich hastete er auf dem engen Pfad hinunter zum Ufer und wurde erst langsamer, als er bemerkte, dass die beiden Begleiter Orenzios keine Touristen waren, sondern der Hotelier Gualfredo und ein riesiger Mann, den Pasquale nicht kannte. Nachdem Oren zio festgemacht hatte, kletterten Gualfredo und der Hüne heraus.
    Gualfredo war pausbäckig, hatte eine Glatze und einen dichten Bürstenschnurrbart. Der andere, der Riese, schien wie aus Granit gemeißelt. Im Boot senkte Orenzio den Blick, als könnte er Pasquale nicht in die Augen sehen.
    Als sich Pasquale näherte, streckte Gualfredo die Arme aus. »Es stimmt also. Carlo Tursis Sohn ist als Mann zurückgekehrt, um den Hurenarsch auszuwischen.«
    Pasquale nickte mit verbissener Höflichkeit. »Guten Tag, Signor Gualfredo.« Er hatte den Bankert Gualfredo noch nie in Porto Vergogna gesehen, doch die Geschichte des Mannes war an der gesamten Küste bekannt: Seine Mutter hatte eine lange Affäre mit einem wohlhabenden Mailänder Bankier gehabt, und dieser hatte ihrem kleinkriminellen Sohn Anteile an Hotels in Portovenere, Chiavari und Monterosso al Mare geschenkt, um ihr Schweigen zu erkaufen.
    Gualfredo lächelte. »Du hast eine amerikanische Schauspielerin in deinem Hurenhaus?«
    »Ja«, antwortete Pasquale. »Manchmal haben wir amerikanische Gäste.«
    Gualfredo runzelte die Stirn, und der Schnurrbart schien das Gesicht und den fassförmigen Hals nach unten zu ziehen. Er blickte zu Orenzio hinüber, der so tat, als würde er den Bootsmotor überprüfen. »Ich habe Orenzio gesagt, dass es sich um ein Versehen handeln muss. Diese Frau hatte sicher vor, in meinem Hotel in Portovenere abzusteigen. Aber er behauptet, dass sie tatsächlich hierher wollte in dieses …« Er schaute sich um. »Kaff.«
    »Ja.« Pasquale verzog keine Miene. »Sie hat es lieber ruhig.«
    Gualfredo machte einen Schritt auf ihn zu. »Das ist keine Schweizer Bäuerin auf Urlaub, Pasquale. Diese Amerikaner erwarten eine Bewirtung, die du nicht zu bieten hast. Vor allem die amerikanischen Filmleute. Hör zu, ich mache das schon sehr lange. Es wäre bedauerlich, wenn du die Cinque Terre in Verruf bringen würdest.«
    »Bei uns ist sie gut aufgehoben.«
    »Dann macht es dir bestimmt nichts aus, wenn ich mit ihr rede, um sicherzugehen, dass sie nicht aus Versehen hier gelandet

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