Schöne Ruinen
…« Er holt tief Luft und kommt leicht ins Stottern. »Vielleicht weiß er, ob Dee … was ich sagen will … hat sie ein Kind gekriegt?«
Doch in diesem Fall benötigt Pasquale keine Übersetzung. Er greift in die Innentasche seiner Anzugjacke und zieht einen Umschlag heraus. Diesem entnimmt er eine alte, ver witterte Postkarte, die er Shane reicht. Die Vorderseite zeigt die verblasste blaue Zeichnung eines Babys und verkündet: ES IST EIN JUNGE ! Auf der Rückseite steht Pasquale Tursis Name und seine Adresse, Hotel zur ausreichenden Aussicht in Porto Vergogna, Italien. Daneben in sorgfältiger Handschrift eine Nachricht:
Lieber Pasquale!
Es tut mir weh, dass wir uns nicht verabschieden konnten. Aber ich glaube, manche Dinge sollen eben nicht sein. Trotzdem vielen Dank.
Für immer – Dee.
P.S. Ich habe ihn Pat genannt, nach Dir.
Die Postkarte macht die Runde. Als sie bei Michael ankommt, lächelt er zerstreut. »Mein Gott, ein Junge.« Er schüttelt den Kopf. »Na ja, inzwischen natürlich nicht mehr. Ein Mann. Er muss ja schon … unglaublich … über vierzig sein.«
Er gibt die Postkarte an Pasquale zurück, der sie vorsichtig wieder einsteckt.
Michael steht auf und hält Pasquale die Hand hin. »Mr. Tursi. Wir werden das wieder ins Lot bringen – wir beide.« Unsicher schüttelt er Pasquale die Hand, der sich seinerseits erhoben hat. »Claire, bringen Sie die Herren bitte in ein Hotel. Ich frage bei dem Privatdetektiv an, und wir treffen uns morgen wieder.« Michael zieht die schwere Wolljacke über der Pyjamahose zurecht. »Und jetzt muss ich nach Hause zu Mrs. Deane.«
Auch von Shane verabschiedet sich Michael mit einem Händedruck. »Mr. Wheeler, willkommen in Hollywood.«
Ehe Claire auf die Beine kommt, ist Michael schon durch die Tür. Sie verspricht Shane und Pasquale, gleich zurück zu sein, und jagt ihrem Chef nach, bis sie ihn auf dem Weg vor dem Bungalow einholt. »Michael!«
Sein Gesicht leuchtet glasklar unter der dekorativen Straßenlampe, als er sich umdreht. »Ja, Claire, was ist?«
Sie wirft einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass ihr Shane nicht nach draußen gefolgt ist. »Ich kann einen anderen Übersetzer finden. Sie müssen den armen Kerl nicht hinhalten.«
»Wovon reden Sie?«
»Die Donner-Party?«
»Ja.« Er kneift die Augen zusammen. »Was ist damit, Claire?«
»Die Donner- Party?«
Er starrt sie an.
»Michael, wollen Sie mir weismachen, dass Ihnen der Pitch gefallen hat?«
»Hat er Ihnen etwa nicht gefallen?«
Claire wird rot. Eigentlich hatte Shanes Pitch alles Nötige: Er war fesselnd, berührend, spannend. Ja, vielleicht war es sogar ein großartiger Pitch – für einen Film, den man nicht machen kann. Ein epischer Western ohne Schießereien und Liebesgeschichte; eine dreistündige Schluchzorgie, die damit endet, dass der Schurke das Kind des Helden frisst.
Claire neigt den Kopf. »Sie wollen also am Montag zu den Studiobossen gehen und einen fünfzig Millionen teuren Western über Kannibalismus pitchen?«
»Nein.« Wieder gleiten Michaels Lippen über die Zähne und formen sich zu diesem Pseudolächeln. »Ich gehe am Montag zu den Studiobossen, um einen achtzig Millionen teuren Western über Kannibalismus zu pitchen.« Damit wendet er sich wieder zum Gehen.
Claire ruft ihrem Chef nach. »Und das Kind der Schauspielerin? Das war doch von Ihnen, oder?«
Bedächtig dreht sich Michael um und mustert sie. »Wissen Sie, Claire, Sie haben eine seltene Gabe. Sie durchschauen die Leute.« Er lächelt. »Und wie ist das Bewerbungsgespräch gelaufen?«
Sie ist verblüfft. Gerade hat sie angefangen, Michael als eine Art Karikatur zu sehen, als ein Fossil, da blitzt auf einmal wieder seine alte Stärke auf.
Unwillkürlich senkt sie den Blick auf ihre Stöckelschuhe und den Rock, den sie heute den ganzen Tag getragen hat – typische Klamotten für ein Bewerbungsgespräch. »Sie haben mir die Stelle angeboten. Als Kuratorin eines Filmmuseums.«
»Und nehmen Sie sie?«
»Hab mich noch nicht entschieden.«
Er nickt. »Hören Sie, ich brauche wirklich Ihre Unterstützung in den nächsten Tagen. Wenn Sie danach immer noch kündigen wollen, habe ich Verständnis. Ich setz mich sogar für Sie ein. Aber an diesem Wochenende müssen Sie für mich auf diesen Italiener und seinen Übersetzer aufpassen. Helfen Sie mir, damit ich am Montag diesen Pitch hinkriege und die Schauspielerin und ihren Jungen finde. Können Sie das für mich machen, Claire?«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher