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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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hinaufzugelangen, um Feinde zu erspähen und Bauern zu knechten, klar, aber vielleicht nicht nur das, sondern auch, um etwas zu bauen, um Spuren zu hinterlassen, damit die Leute erfuhren … dass man einmal da gewesen ist, dort oben auf der Bühne. Doch was hatte das alles für einen Sinn? Diese Menschen waren verschwunden, und nichts war übrig als die bröckelnden Ruinen Gescheiterter und Unbekannter.
    An diesem Abend kamen vierzig Zuschauer, zum ersten Mal war seine Show ausverkauft. »Heute bin ich beim Rumlaufen in Edinburgh draufgekommen, dass die ganze Kunst nichts anderes ist als Hunde, die Bäume anpissen.« Es war noch zu Beginn seines Auftritts, und er entfernte sich gefährlich weit von seinem Drehbuch. »Mein ganzes Leben lang dachte ich … ich muss berühmt werden, ich muss irgendwie … groß rauskommen. Ruhm, genau.« Über seine Gitarre gebeugt sah er die erwartungsvollen Gesichter an und hoffte wie sie, dass er die Kurve zu einem Witz kriegen würde. »Die ganze Welt ist krank … wir haben alle dieses jämmerliche Bedürfnis, wahrgenommen zu werden. Wir sind bloß kleine Knirpse, die Aufmerksamkeit brauchen. Und ich bin der Schlimmste. Wenn ich ein Thema hätte … ein Lebensmotto, dann würde es heißen: Da muss was schiefgelaufen sein, eigentlich hätte was viel Größeres aus mir werden sollen .«
    Wie kamen Scheißshows zustande? Pat hatte keine Ahnung, ob es bei ihm mehr Flops gab als bei anderen Künstlern, doch er hatte sie regelmäßig erlebt. Was die Reticents betraf, so war Konsens, dass sie ein großartiges Album ( The Reticents ), ein gutes ( Manna ) und eine aufgeblasene Ansammlung von Schrott ( Metronome ) herausgebracht hatten. Und sie waren berüchtigt für ihre Unberechenbarkeit bei Konzerten, was allerdings beabsichtigt oder zumindest unvermeidlich war: Er war seit Jahren zugedröhnt mit Koks, Benny drückte, und Casey Millar war als Drummer bei den Gigs sowieso nur Staffage. Da war Unbeständigkeit natürlich vorprogrammiert. Aber wer wollte schon Beständigkeit ? Es ging doch gerade um das Gebrochene – keine Dancemixes mit Synthi, keine geföhnte Mähne, kein tuntiges Make-up, keine gefakten Angstposen im Flanellhemd. Die Reticents hatten zwar nie den Kultclubstatus hinter sich gelassen, aber dafür wurden sie auch nie zu selbstdarstellerischen Heuchlern, die Powerballaden spielten. Sie blieben authentisch, wie die Leute früher sagten, als Authentischsein noch etwas bedeutete.
    Aber auch die Rets spielten manchmal einfach eine Scheißshow. Nicht wegen Drogen, Streitigkeiten oder Feedback-Experimenten; manchmal waren sie einfach Schrott.
    Und genau das passierte ihm auch an dem Abend nach der Konfrontation mit Joe, an dem der Rezensent des Scotsman kam, um sich Pat Bender: Ich kann nicht anders! anzusehen. Er vergeigte die Einleitung zu »Why Are Drummers So Ducking Fumb?« und versuchte das Ganze mit lahmem Geschwafel darüber zu überspielen, dass man in Amerika Scotch sagte, während es in Schottland einfach Whisky hieß, ob das vielleicht bedeutete, dass im Scotch-Klebeband Whisky war. Die Leute starrten ihn bloß an: Was für ein Schwachsinn, den der Kerl da faselt. Und »Lydia« schaffte er nur mit Müh und Not, weil er sich einbildete, dass ihn alle durch schauten und dass er der Einzige war, der den Song nicht kapierte.
    Er spürte diesen merkwürdigen Stimmungsumschwung im Publikum, das ihn normalerweise anfeuerte und zu ihm stand, doch jetzt allmählich die Geduld mit seiner Unbeholfenheit verlor. Ein ungeprobter, anscheinend nicht besonders guter Witz über die dicken Ärsche der Schottinnen (die reinsten Haggis-Säcke, wie Haggis-Maultiere, die Leberwurst in der Hose schmuggeln) half auch nicht weiter. Sogar die Gitarre klang schrill in Pats Ohren.
    Am nächsten Morgen noch immer keine Spur von Joe. Pats Vermieter legten ihm den Scotsman mit der aufgeschlagenen Ein-Stern-Besprechung vor die Tür. Er las die Worte »vulgär«, »langatmig«, »übellaunig« und legte die Zeitung weg. Am Abend erschienen acht Leute zu seiner Vorstellung; und danach nahm das befürchtete Unheil seinen Lauf. Fünf Zuschauer am nächten Tag. Kein Joe. Schnurrbart schaute an der Bühne vorbei und eröffnete Pat, dass sein Wochenvertrag nicht erneuert werde. Ein Bauchredner bekam seinen Platz und sein Mietzimmer. Den Scheck hatte ja schon Pats Manager abgeholt. Pat musste unwillkürlich lachen, als er sich Joe mit seinen fünfhundert Pfund auf dem Weg nach London vorstellte.
    »Und wie

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