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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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zu diesen beiden tänzelnden Vollblütern war er doch nur ein Esel.
    Nach einigen Sekunden löste sich Dee Moray aus Richard Burtons Umarmung. Mit zugleich tadelnder und süßer Stimme fragte sie: »Wo warst du denn so lange?«
    »Ich hab nach dir gesucht«, antwortete der Schauspieler. »War eine ziemliche Odyssee. Aber hör zu, ich muss dir was sagen. Leider sind wir beide Opfer eines ziemlich gemeinen Schwindels geworden.«
    »Wovon redest du?«
    »Gehen wir rein. Setz dich erst mal, dann erklär ich dir alles.« Richard Burton begleitete sie zurück ins Zimmer, und dann schloss sich hinter ihnen die Tür.
    Pasquale stand allein im Gang und starrte unschlüssig die Tür an, durch die eine gedämpfte Unterhaltung drang. Sollte er einfach hierbleiben? An die Tür klopfen und die beiden daran erinnern, dass er hier war? Oder einfach mit Tomasso zum Boot zurückkehren? Gähnend lehnte er sich an die Wand. Seit ungefähr zwanzig Stunden war er jetzt schon auf den Beinen. Inzwischen hatte ihr Richard Burton sicher mitgeteilt, dass sie nicht sterbenskrank, sondern schwanger war. Trotzdem hörte er keine Geräusche, mit denen er angesichts solcher Nachrichten gerechnet hätte: einen lauten Wutausbruch, Erleichterung darüber, dass sie gesund war, oder Erschütterung, weil sie ein Kind erwartete. Kein Ausruf: Ein Baby! Auch keine Frage: Ein Baby? Nein, hinter der Tür waren nur leise Stimmen zu hören.
    Ungefähr fünf Minuten verstrichen. Als sich Pasquale gerade zum Aufbruch entschlossen hatte, öffnete sich die Tür, und Dee Moray kam allein heraus, den Morgenmantel eng um sich geschlungen. Sie hatte geweint. Ohne ein Wort tappte sie mit bloßen Füßen über den Teppichboden. Pasquale stieß sich von der Wand. Sie warf die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Er fasste sie um die schmale Taille; er spürte die Seide an ihrer Haut und unter dem weichen Stoff ihren Busen an seiner Brust. Sie duftete nach Rosen und Seife, und Pasquale erschrak plötzlich bei dem Gedanken daran, wie er nach diesem anstrengenden Tag – Fahrten im Bus, in einem Auto und mit zwei Booten – riechen musste. Und erst jetzt wurde ihm so richtig klar, was er in dieser kurzen Zeit alles erlebt hatte. Hatte der Tag für ihn wirklich damit begonnen, dass er fast als Statist für Cleopatra engagiert worden wäre? Dann erschauerte Dee Moray wie der alte Motor in Tomassos Boot. Er versuchte, sie einfach festzuhalten, ohne an ihren straffen Körper unter dem weichen Morgenmantel zu denken.
    Schließlich löste sich Dee Moray aus der Umarmung. Sie wischte sich die Augen ab und blickte Pasquale ins Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Pasquale zuckte die Achseln. »Ist okay.«
    »Aber ich möchte dir was sagen, Pasquale. Ich will.« Dann lachte sie. »Danke ist nicht annähernd genug.«
    Pasquale schaute zu Boden. Manchmal fühlte sich schon das schlichte Ein- und Ausatmen an wie ein tiefer Schmerz. »Nein. Ist genug.«
    Er zog den Geldumschlag aus der Jacke, der bei Weitem nicht mehr so voll war wie bei der Übergabe auf der Spanischen Treppe. »Michael Deane bittet, das soll ich dir geben.« Sie öffnete das Kuvert und zitterte vor Abscheu, als sie die Scheine bemerkte. Er erwähnte nicht, dass ein Teil für ihn bestimmt war, weil er sich mitschuldig fühlte. »Und diese.« Pasquale reichte ihr die Fotos. Ganz oben lag das Bild von Dee und der anderen bei den Dreharbeiten zu Cleopatra. Sie drückte die Hand vor den Mund, als sie es sah. »Soll ich ausrichten von Michael Deane …«
    »Erzähl mir nicht, was dieser Scheißkerl gesagt hat«, unterbrach ihn Dee Moray, ohne von dem Foto aufzublicken. »Bitte.«
    Pasquale nickte.
    Noch immer war sie in die Bilder vertieft. Sie deutete auf die Frau mit dem dunklen Haar, nach deren Arm sie beim Lachen gefasst hatte. »Sie ist wirklich nett. Komisch irgendwie.« Dee seufzte. Dann blätterte sie die anderen Bilder durch, und Pasquale erkannte, dass sie auf einem mit ernstem Ausdruck neben zwei Männern stand, von denen einer Richard Burton war.
    Dee Moray schaute nach hinten zur offenen Tür ihres Hotelzimmers. Und dann wischte sie sich wieder Tränen aus den Augen. »Ich glaube, wir bleiben heute hier. Richard ist furchtbar müde. Er muss noch einen Tag nach Frankreich zu den letzten Dreharbeiten. Danach fährt er mit mir in die Schweiz und … wir gehen zusammen zu diesem Arzt, um es … machen zu lassen.«
    »Ja«, antwortete Pasquale. Die Worte machen zu lassen hingen in der Luft.

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