Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
sein Blick sich getrübt. Auch wenn er es nicht zugeben würde, noch zwei, drei Tritte, dann würde er schlappmachen. Immerhin hatte der Hochsitz nun schon gehörig Schieflage.
»Wir können auch morgen weitermachen«, meinte Kim, während Lunke um Atem rang.
Er nickte, seine Lider waren herabgesunken. »Vielleicht keine schlechte Idee … Ich müsste ohnehin … längst bei den anderen sein. Michelle, sie wartet …« Er verstummte, offenbar weil er Kims finsteren Blick bemerkt hatte.
Sie schaute sich den Hochsitz an. Lunke hatte ordentliche Arbeit geleistet, der eine Pfosten war fast durchgebrochen, aber wahrscheinlich müssten sie auch noch einen zweiten Pfosten beschädigen, bevor das ganze Holzgebilde kippte.
Als wäre sie eine starke wilde Schwarze stellte Kim sich in Position und holte aus. Wider Erwarten traf sie den Pfosten mit beiden Hinterläufen, und dann, einen Wimpernschlag später, hörte sie es krachen. Ein lautes, knarzendes Geräusch hallte durch den Wald.
»Achtung!«, rief Lunke heiser und völlig überrascht.
Der Hochsitz geriet ins Wanken; für einen Moment schien er zu überlegen, ob er wieder in seine ursprüngliche Position zurückgleiten sollte, doch dann kippte er; wie ein Baum, an dem Menschen mit einer Säge hantierten, was Kim schon häufiger im Wald gesehen hatte.
Und mit dem Hochsitz geriet auch der tote Jan ins Rutschen.
Kim sprang zur Seite, Lunke grunzte vor Schrecken, und dann fiel Jan mit einem dumpfen, hässlichen Geräusch neben ihnen auf den Waldboden und lag mit seltsam verrenkten Gliedern da. Seine Augen waren geschlossen, und in der rechten Hand hielt er die Waffe. In seinem Kopf prangte ein kleines, blutiges Loch, in dem Maden herumkrochen.
Kim stöhnte auf, dann lächelte sie. »Wir haben es geschafft!« Sie stürmte auf Lunke zu, der erschöpft am Boden lag und auf den toten Jan starrte, und leckte ihm über den Rüssel. »Lunke, wir haben es geschafft.«
7
»Lunky! Wo bist du, Lunky?«
Aus dem Wald war die affektierte schrille Stimme Michelles zu hören.
Lunke richtete sich mühsam auf. »Ich muss dann wohl«, sagte er leise. »Wir sehen uns später.«
Du willst mich tatsächlich mit einem toten Menschen allein lassen?, wollte Kim ihn fragen, doch da hatte er schon beigedreht und stakste ins Unterholz. Hatte er sich verletzt? Nein, er hatte sich lediglich überanstrengt. Vielleicht hatte er auch Angst vor dem Toten.
Kim starrte den ermordeten Jan an. Er war, als der Hochsitz umkippte, über das Holzgeländer gestürzt. Sein Kopf war schrecklich verdreht. Die rechte Hand hielt die Waffe, die linke war zur Faust geballt. Seine Gesichtsfarbe war gelblich bleich. Er sah furchterregend aus und irgendwie zum Weinen.
Sie beschloss, sich auf die Lauer zu legen. Wenn jemand kam, würde sie quieken und grunzen, damit der Tote endlich gefunden wurde. Also legte sie sich ein Stück von dem gekippten Hochsitz weg in einen mächtigen Farn. Sie hätte fressen können und ein wenig dösen, aber die Traurigkeit des Toten war wie eine Wolke, die sie langsam einhüllte. Niemand sollte von der Hand eines anderen sterben, weder ein Mensch noch ein Schwein. Dafür waren Lebewesen nicht gemacht.
Kim schloss die Augen, sie lauschte auf Geräusche aus dem Wald, aber da waren nur ein paar Vögel, die leise sangen, als würden auch sie um Jan trauern.
Als ein brauner Vogel mit mächtigen Schwingen tief über dem toten Jan kreiste, offenbar um ihn zu beäugen, und dann neben ihm niederging, verscheuchte Kim ihn mit einem energischen Grunzer. Ihrem Toten sollte nichts passieren.
Die Sonne wanderte den Himmel hinauf, doch auch das helle Licht brachte keinen Trost. Im Gegenteil, Jan wurde immer fahler und toter; bald sah er nicht einmal mehr so aus, als wäre er jemals ein Mensch gewesen, der gesprochen hatte und herumgelaufen war. Selbst sein langes Haar, das sein Gesicht halb verdeckte, wirkte fahler und unechter.
Auf einmal kam ihr der Gedanke, dass es etwas gab, um dem Tod den Schrecken zu nehmen: Leben. Licht verscheuchte Dunkelheit, und Leben besiegte den Tod. Vielleicht sollte sie sich doch mit Lunke einlassen. Wie würden ihre Jungen wohl aussehen – schwarz wie Lunke oder rosig wie sie?
Aber verdammt, Lunke war mit Michelle abgezogen.
Wieder kamen ein paar Vögel, um sich neben dem toten Jan niederzulassen. Kim verscheuchte auch sie, doch nach einer langen, langen Weile hielt sie es nicht mehr aus. Sie glaubte schon, der Tote würde sich bewegen, langsam auf sie
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