Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
davonblasen. Kim konnte es kaum fassen. Ein Sturm aus Feuer und Licht raste über den Hof, und dann, als hätte er sie entdeckt, rauschte er durch die Bäume und kam geradewegs auf sie zu.
Als der heiße Wind über sie hinwegfegte, schloss Kim die Augen. So eine Hitze hatte sie noch nie erlebt. Es war, als würden drei Sonnen gleichzeitig scheinen. Ein sengender Schmerz zog über ihre Haut, und sie hatte das Gefühl, Feuer einzuatmen. Ihre Kehle brannte, ihr Bauch zog sich zusammen, und dann erfasste sie eine ungeheuere Angst, sterben zu müssen, hier, einsam und versteckt, weil sie wieder einmal zu neugierig gewesen war.
So schnell jedoch, wie der Feuersturm gekommen war, so schnell war er auch über sie hinweggefegt.
Kim riss die Augen auf. Doch was sie vor sich sah, ließ sie daran zweifeln, dass sie noch funktionierten. Ein brennender Mensch stolperte über den Hof; seine Haare standen in Flammen, seine Kleidung loderte. Kim konzentrierte sich trotz der Schmerzen in ihrem Kopf und erkannte, dass es Marten war. Er bewegte die Arme und riss den Mund zu einem Schmerzensschrei auf, doch kein Laut drang über seine Lippen. Jedenfalls hörte Kim keinen. Ein Schatten eilte an dem brennenden Kabriolett vorbei, eine Gestalt auf zwei Beinen. Nicht Dörthe, registrierte Kim, sondern Sabeth. Sie hielt eine Decke, hüllte damit den brennenden Marten ein und warf ihn zu Boden.
Wo aber war Dörthe? Kim wandte den Kopf, doch alles, was sie bemerkte, war ein Ungeheuer, das auf sie zustürmte – ein schwarzes, schwankendes Wesen mit einem riesigen Maul und widerlich braunem Schaum vor der Schnauze. Nur an seinen wütend zusammengekniffenen Augen erkannte Kim, dass es Lunke war, der auf sie zuraste. Er sah verändert aus. Sein Fell – was war mit seinem Fell passiert? Es wirkte fleckig und grau, mit kahlen Stellen an einer Seite. Hatte Lunke Schmerzen, weil der Feuerwind ihn in die Luft gehoben hatte? Er blieb vor ihr stehen und öffnete sein Maul, um ihr etwas zuzurufen, keine Freundlichkeit, so viel war sicher, doch wieder konnte Kim nichts hören. Ihre Ohren versagten – die Hitze und der Wind hatten sie taub gemacht.
Vermutlich weil sie nicht reagierte, stieß Lunke ihr seinen linken Eckzahn gegen die Brust, so hart und schmerzhaft, dass sie zusammenzuckte, dann lief er schwankend an ihr vorbei und rief ihr noch etwas zu, das sie erneut nicht verstand. Vielleicht ein böser Gruß oder die Drohung, sie nie wiedersehen zu wollen.
Kim überlegte, ihm nachzusetzen, um ihn zu besänftigen, doch zuerst wollte sie wissen, was mit Dörthe geschehen war. Dumpf drang ein erstes Geräusch an ihr Ohr. Ein hohles, unangenehmes Wummern, das sie noch nie gehört hatte. War das ein Flugzeug, oder war irgendwo eine Höllenmaschine angesprungen? Nein, zwei, drei große rote Autos rasten mit grellen Scheinwerfern auf den Hof. Männer mit seltsamen Kopfbedeckungen sprangen heraus und begannen, lange Schläuche abzuwickeln. Mit weißem Schaum, wie Lunke ihn vor der Schnauze gehabt hatte, fingen sie wenig später an, das brennende Auto einzuhüllen.
Wo war Dörthe? Jemand, der ebenfalls einen Helm trug, lief zu Sabeth und Marten, der nun ganz in die Decke eingewickelt war und nicht mehr zu brennen schien.
Mühsam kroch Kim ein wenig aus ihrem Versteck hervor; ihr war noch immer heiß, das Atmen bereitete ihr Mühe, und in den Ohren hallte das dumpfe Wummern nach. Auf der Wiese in einiger Entfernung meinte sie die anderen zu sehen: Ja, Che, Brunst, Doktor Pik und Cecile standen stocksteif da und starrten zum Hof herüber. Keine Regung zeigte sich auf ihren Mienen, und selbst das neugierige Minischwein blieb stumm und wagte sich nicht näher heran.
Immer mehr Menschen rannten auf dem Hof herum. Zwei weitere Autos rasten über die Zufahrt, aus denen Männer in weißer Kluft stiegen und sich auf Marten zubewegten, den seine Kräfte verlassen hatten. Sie legten ihn auf eine Trage und wickelten ihn vorsichtig aus der Decke. Sabeth hatte Tränen in den Augen, sie war bleich, und mit einer heftigen Bewegung wandte sie sich ab, stürzte auf einen Baum zu, um sich festzuhalten und sich zu erbrechen.
Kim drehte angewidert den Kopf. Sie sollte verschwinden, sagte sie sich, auch wenn sie immer noch nicht wusste, wo Dörthe in diesem Durcheinander abgeblieben war.
Dann kehrten alle Geräusche mit einem Schlag zurück. Die Stimmen der Männer, Motorengeräusche, das ersterbende Prasseln des Feuers – alles schlug wie eine Welle über ihr zusammen.
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