Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
die Wahrheit sagen sollen?« Sie konnte sich zwar nicht erinnern, dass Lunke so etwas gesagt hatte, es hätte auch gar nicht zu ihm und seinen Reden gepasst, aber die Worte taten ihre Wirkung.
»Wir haben noch eine andere Abmachung«, begann Lunke, »… dass ich Rocky hin und wieder ein paar Eicheln und Blumenzwiebeln und Würmer besorge … ein richtiges Festmahl.« Er grinste verlegen.
»Aber warum?« Kim drängte ihn zurück, als er sie beiseiteschieben wollte. »Was hat er denn für dich getan?«
Das Lachen aus dem Wald wurde noch lauter. Kim erkannte, dass es zweifelsfrei Michelle war, die dort hockte und lauschte.
»Er ist mein Bruder, und wir sind Freunde … irgendwie …«, erwiderte Lunke stammelnd. »Freunden tut man schon mal einen Gefallen, oder nicht?« Endlich gelang es ihm, sich an Kim vorbeizuwinden. Sofort senkte sich sein Rüssel wieder über den Boden, um Futter aufzuspüren.
Kim drehte sich um. »Michelle!«, rief sie in die Richtung, in der sie das Versteck der Bache wähnte. »Kannst du mir das alles erklären?«
Die Bache lachte lauthals. »Nein!«, rief sie dann. »Das soll Lunky selbst machen.« Einen Moment später hörte Kim, wie Michelle mit einem erneuten Lachen davonpreschte, und ein ungeheuerlicher Verdacht begann in ihr heranzureifen.
»Wie?«, fragte sie Lunke, der erneut ein paar Eicheln gefunden hatte. »Wie nennt man so etwas? Ein abgekartetes Spiel? Ein Geschäft unter Brüdern? Oder schlichtweg Betrug?«
»Es war auch deine Schuld«, sagte Lunke, während sie aus dem Wald in Richtung Friedhof trabten, weil er dort Blumenzwiebeln ausgraben wollte. »Was blieb mir denn anderes übrig? Du hast mich nicht an dich rangelassen … Alle meine Versuche, dich zu überzeugen, waren fehlgeschlagen … Ich musste mir etwas einfallen lassen. Da dachte ich mir, Konkurrenz belebt das Geschäft …«
Seine Verlegenheit war von ihm abgefallen, nun war er wieder ganz der Alte; grinsend, vorwurfsvoll, anmaßend.
»Ich war zurückhaltend – das war alles«, erwiderte Kim. Sie bemerkte, dass er das Tempo steigerte, damit sie außer Atem geriet und nicht mehr so viel reden konnte. »Und dann bist du auf die Idee gekommen, Michelle und Rocky anzuheuern …«
»Die Idee mit Rocky ist mir erst später gekommen«, unterbrach Lunke sie. »Ich habe gedacht, so ein Kampf mit ihm würde dich beeindrucken. War ja auch so …« Er schaute sie von der Seite an und verzog das Gesicht zu einem dreisten Grinsen. »Hast ganz schön Augen gemacht, wie wir uns da wutschnaubend gegenüberstanden. Und als du gehört hast, dass wir uns deinetwegen prügeln wollen, warst du richtig geschmeichelt, oder nicht?«
Am liebsten hätte Kim ihm eins auf den Rüssel gegeben vor Empörung. Wofür hielt er sie denn? Für irgendeine dahergelaufene Bache, die sich von so einem Kampfspektakel täuschen ließ?
»Und was war mit Michelle?«, fragte sie. »War das auch nur Getue? – ›Lunky, wo bist du?‹« Kim imitierte die widerwärtige, durchdringende Stimme der Bache.
»Na ja«, meinte Lunke. »Das war mein erster Plan gewesen, um dir ein wenig auf die Sprünge zu helfen … Damit wir beide endlich zu Potte kommen. Haben sich doch schon alle über mich lustig gemacht.« Wieder grinste er kein bisschen schuldbewusst.
»O Lunke!«, rief Kim aus. »Ich könnte dich …«
»Dann tu es doch«, erwiderte er dreist und trabte durch das offene Eisentor auf den Friedhof. »Am besten gleich hier – auf der Stelle!«
An der steinernen Statue mit den Flügeln vorbei, aus der ständig Wasser floss, preschte er auf den hinteren Teil des Geländes.
He, wollte Kim ihm nachrufen, hier vorne gibt es doch schöne Blumenzwiebeln.
Obwohl sie Lunke schon häufiger hierher begleitet hatte, war ihr dieser Platz, wo die Menschen ihre Toten in der Erde verscharrten, immer noch ein wenig unheimlich. Besonders die schwarzen glänzenden Steine, die überall standen, machten ihr Angst. Fast sah es so aus, als würden die Menschen fürchten, ihre Toten könnten aus der Erde zurückkehren, wenn man keinen Stein auf sie stellte.
Von irgendwo hörte sie ein lautes Schmatzen. Lunke hatte den Plan offensichtlich aufgegeben, zunächst Blumenzwiebeln für Rocky beiseitezulegen und sich erst dann selbst zu bedienen.
»Kim!«, rief er. »Ich habe eine neue Delikatesse ausfindig gemacht. Wusstest du, dass man auch richtige Blumen fressen kann – ganz frische?«
Sie wandte den Kopf und entdeckte ihn. Auf einem schmalen Weg fraß er sich durch
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