Schöne Scheine
wir wenigstens eine anständige Maske gemietet«, brummte eine ältere Stimme. »Ist das da drüben etwa eine Frau?«
Eine Gestalt war im Kreis erschienen, ohne weitere Umstände oder Aufhebens, abgesehen von der brummenden Stimme. Es war in jeglicher Hinsicht das Paradebeispiel eines Zauberers - im Zaubergewand, mit spitzem Hut, mit Bart und der Würde des Alters, ergänzt durch einen silbrigen, monochromen Schimmer und eine gewisse Durchsichtigkeit.
»Ah, Professor Flett«, sagte Hicks, »sehr freundlich, dass du dich zu uns gesellst...«
»Du weißt, dass du mich hergeholt hast, und es ist ja nicht gerade so, dass ich sonst etwas zu tun hätte«, sagte Flett. Er wandte sich wieder Adora Belle zu und sprach sie mit sirupsüßer Stimme an. »Wie ist dein Name, meine Liebe?«
»Adora Belle Liebherz.« Den warnenden Tonfall schien Flett nicht zu bemerken.
»Wie entzückend«, sagte er und schenkte ihr ein zahnloses Lächeln. Bedauerlicherweise gerieten dadurch die dünnen Speichelfäden in seinem Mund ins Vibrieren wie das Netz einer sehr alten Spinne. »Kannst du dir vorstellen, dass du eine frappierende Ähnlichkeit mit meiner geliebten Konkubine Fenti hast, die vor über dreihundert Jahren verstarb? Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend!«
»Ich würde sagen, das klingt wie ein Anbaggerspruch«, sagte Adora Belle.
»Ach du liebe Güte, dieser Zynismus!«, seufzte der verstorbene Flett und wandte sich nun dem Leiter des Instituts für Postmortale Kommunikation zu. »Abgesehen vom hübschen Gesang dieser jungen Dame war die Vorstellung eher enttäuschend, Hicks«, sagte er streng. Er versuchte, Adora Belles Hand zu tätscheln, aber seine Finger glitten einfach durch ihre hindurch.
»Es tut mir leid, Professor, aber uns wurden schon wieder die Mittel gekürzt.«
»Ich weiß, ich weiß. So war es schon immer, Doktor. Selbst zu meiner Zeit musste man, wenn man eine Leiche benötigte, hinausgehen und selber eine suchen. Und wenn man keine finden konnte, musste man sich eben selber eine machen! Heute ist alles so nett , so verflucht korrekt. Theoretisch geht es auch mit einem frisch gelegten Ei, aber wo bleibt der Stil? Ich habe gehört, dass sie jetzt eine Maschine gebaut haben, die denken kann, aber die Schönen Künste mussten sich natürlich schon immer ganz hinten anstellen! Also muss ich mich mit dem hier abfinden: einem recht unfähigen Postmortalen Kommunikator und zwei Leuten aus dem Städtischen Brummchor!«
»Die Nekromantie gehört zu den Schönen Künsten?«, fragte Feucht.
»Es gibt keine schönere, junger Mann. Wenn man nur ein wenig von der ästhetischen Ausgewogenheit abweicht, könnte es sein, dass die Geister der rachsüchtigen Toten durch die Ohren in deinen Kopf eindringen und dafür sorgen, dass du dein Gehirn durch die Nase ausniest.«
Die Blicke von Feucht und Adora Belle richteten sich auf Dr. Hicks, als wären sie Bogenschützen, die ihr Ziel anvisierten. Er wedelte hektisch mit den Händen und flüsterte: »Das passiert nicht oft!«
»Und was macht eine hübsche junge Dame wie du in diesen Gewölben, hmm?«, sagte Flett und versuchte erneut, nach Adora Beiles Hand zu greifen.
»Ich versuche einen ähmianischen Satz zu übersetzen«, sagte sie, bedachte ihn mit einem steifen Lächeln und wischte sich geistesabwesend die Hand am Kleid ab.
»Erlaubt man den Frauen heutzutage, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen? Wie spaßig! Weißt du, was ich am meisten bedauere? Dass ich in den Zeiten, als ich noch über einen Körper verfügte, ihm viel zu selten erlaubt habe, sich in Gesellschaft junger Damen aufzuhalten ...«
Feucht blickte sich um und suchte nach einer Art Notschalter. Irgend so etwas musste es hier geben, und sei es auch nur für den Fall, dass es zu einer nasalen Zerebralexplosion kam.
Er schlich sich an Hicks’ Seite. »In wenigen Augenblicken könnte es richtig schlimm werden!«, flüsterte er.
»Kein Problem, ich kann ihn innerhalb kürzester Zeit in die Untote Zone verbannen!«, flüsterte Hicks zurück.
»Das dürfte nicht weit genug weg sein, wenn sie die Beherrschung verliert! Ich habe gesehen, wie sie einmal mit ihrem Bleistiftabsatz den Fuß eines Mannes durchbohrt hat, während sie eine Zigarette rauchte. Sie hat jetzt schon seit über fünfzehn Minuten keine Zigarette mehr geraucht, also kann niemand sagen, wozu sie fähig sein wird!«
Doch Adora Belle hatte bereits den Golemarm aus dem Beutel gezogen, und in den Augen des verstorbenen
Weitere Kostenlose Bücher