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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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höchste Stelle, er wurde bestenfalls vom unerbittlichen Gott der Mathematik übertroffen. Schließlich blieb es dem glücklosen Fräulein Gardinia überlassen, die kurz zuvor noch die Übermittlerin von Herrn Beuges Missfallen gewesen war, auf das Dokument zu schreiben: »Entschuldigung, Herr Beuge, aber ich glaube, dieser junge Mann hat Recht.« Sie schob ihn ganz unten unter mehrere Zettel mit Abrechnungen, die sie in seinen Eingangskorb legte, dann hallten die Schritte ihrer kleinen Stiefel quer durch den Saal, als sie sich weinend zur Damentoilette flüchtete, wo sie einen hysterischen Anfall erlitt.
    Die verbliebenen Mitarbeiter blickten sich misstrauisch um wie Monster aus grauer Vorzeit, die sahen, wie eine zweite Sonne am Himmel immer größer wurde, aber nicht die leiseste Ahnung hatten, was sie dagegen tun sollten. Herr Beuge war jemand, der seinen Eingangskorb sehr schnell abarbeitete, und wie es aussah, würde es nur noch höchstens zwei Minuten dauern, bevor er mit der Nachricht konfrontiert wurde. Plötzlich flüchteten sie alle auf einmal zu den Ausgängen.
    »Und wie war es für dich?«, fragte Feucht, als sie ins Sonnenlicht hinaustraten.
    »Höre ich da einen gereizten Unterton heraus?«, fragte Adora Belle zurück.
    »Meine Planung für den heutigen Tag sah jedenfalls nicht vor, mit einer dreihundert Jahre alten lüsternen Leiche zu plaudern.«
    »Er ist keine Leiche, sondern ein Geist!«
    »Trotzdem hat er eine sehr lebendige Lüsternheit an den Tag gelegt.«
    »Alles nur auf rein geistiger Ebene«, sagte Adora Belle.
    »Normalerweise regst du dich furchtbar auf, wenn jemand dich so behandelt!«
    »Richtig. Aber die meisten Leute sind nicht imstande, eine Sprache zu übersetzen, die so alt ist, dass selbst Golems nur ein Zehntel davon verstehen. Leg dir eine ähnliche Fähigkeit zu, dann hältest  du  scharenweise Mädchen um dich, wenn du seit dreihundert Jahren tot bist.«
    »Du hast nur mit ihm geflirtet, um zu bekommen, was du wolltest?«
    Adora Belle blieb mitten auf dem Platz stehen und drehte sich zu Feucht um. »Na und?  Du  flirtest doch die ganze Zeit mit den Leuten. Du flirtest mit der ganzen Welt! Das ist es, was dich interessant macht, weil du weniger wie ein Dieb, sondern eher wie ein Musiker bist. Du willst auf der Welt spielen, vor allem die kniffligen Sachen. Und jetzt gehe ich nach Hause und gönne mir ein Bad. Ich habe heute Früh noch in der Kutsche gesessen, falls du dich erinnerst.«
    »Heute Früh«, sagte Feucht, »habe ich festgestellt, dass jemand aus meinem Personal den Verstand eines anderen Mitarbeiters mit dem einer Steckrübe ausgetauscht hat.«
    »War das gut?«, wollte Adora Belle wissen.
    »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn ich noch einmal nachsehe. Tja, wir scheinen beide einen schweren Tag gehabt zu haben. Ich schicke dir um halb acht eine Droschke, einverstanden?«
    Krippling hatte großen Spaß. Er hatte noch nie viel fürs Lesen übrig gehabt - bis jetzt. Natürlich  konnte  er lesen. Und auch schreiben - in netter Kursivschrift, die die Leute sehr elegant fanden. Und er hatte die  Times  schon immer wegen ihrer klaren, lesbaren Schrifttype geliebt und hatte mit Hilfe einer Schere und einem Topf Klebstoff oft auf diese Zeitung zurückgegriffen, wenn er eine jener Botschaften verfasst hatte, die sich weniger durch hübsche Gestaltung, sondern durch ausgeschnittene Wörter und Buchstaben und mit etwas Glück sogar ganze Redewendungen auszeichneten. Zum Vergnügen zu lesen war nie seine Sache gewesen. Doch nun las er, und wie, und es war außerordentlich erfreulich, sehr sogar! Es war erstaunlich, was man alles herausfinden konnte, wenn man wusste, wonach man suchte! Und jetzt war es wie Silvester und alle anderen Feiertage auf einmal...
    Eine Tasse Tee, Ehrwürden?«, sagte eine Stimme an seiner Seite. Es war die dicke Dame, die für das Archiv mit den alten Ausgaben der  Times  zuständig war. Sie hatte ihn ins Herz geschlossen, kaum dass er vor ihr den Hut gelüftet hatte. Sie hatte den leicht wehmütigen, leicht hungrigen Blick, den so viele Frauen eines gewissen Alters haben, wenn sie entschieden haben, sich lieber auf die Götter zu verlassen, weil sie auf keinen Fall weiterhin Männern vertrauen können.
    »Danke sehr, Schweschter«, sagte er freudestrahlend. »Steht nicht geschrieben: >Die barmherzige Tasse ist mehr wert als das hingeworfene Huhn    Dann bemerkte er die kleine unscheinbare Schöpfkelle aus Silber,

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