Schöne Scheine
hinaufzogen, sahen sehr gesund aus.
»Ja. Besorge den Stock«, murmelte er und drehte die Hand, um das Licht der Lampen aufzufangen. Seltsam, dachte er, mit dem Finger spürte er überhaupt keine Wärme, aber das spielte schließlich auch gar keine Rolle.
Er konnte die Zukunft jetzt ganz deutlich erkennen. Die Schuhe, das Scheitelkäppchen, der Ring, der Stock ... Wenn er die okkulte Stelle ausfüllte, die von Vetinari besetzt wurde, würde der verfluchte Tyrann zweifellos unter zunehmender Schwäche und Verwirrung leiden, und er würde Dinge durcheinanderbringen und Fehler begehen ... »Kümmere dich darum, Drumknott«, sagte er.
Lord Havelock Vetinari rieb sich den Nasenrücken. Es war ein langer Tag gewesen, und auch der Abend würde zweifellos lang.
»Ich glaube, ich brauche einen Moment, um mich zu entspannen. Bringen wir es hinter uns«, sagte er.
Drumknott ging zum langen Tisch hinüber, auf dem zu dieser Tageszeit mehrere Ausgaben der Times lagen, da Seine Lordschaft stets darauf erpicht war zu erfahren, was nach Ansicht der Leute vor sich ging.
Vetinari seufzte. Ständig erzählten die Leute ihm irgendwas. Allein in der letzten Stunde hatten viele Leute ihm irgendwelche Sachen erzählt. Das machten sie aus allen möglichen Gründen: um Ansehen zu gewinnen, um an Geld zu kommen, um einen Gefallen als Gegenleistung zu erhalten, aus Böswilligkeit oder auch Boshaftigkeit oder, was besonders verdächtig war, angeblich dem Gemeinwohl zuliebe. All das lief keineswegs auf Informationen hinaus, sondern eher auf einen großen argusäugigen Klumpen aus kleinen, wimmelnden Faktchen, denen sich bestenfalls mit etwas Mühe ein paar Informationen entlocken ließen.
Sein Sekretär reichte ihm die Zeitung, die sorgfältig auf der richtigen Seite und an der richtigen Stelle zusammengefaltet war. Dort befand sich ein quadratisches Feld, das aus mehreren kleineren Quadraten zusammengesetzt war, und in einigen davon standen Zahlen.
»Das heutige >Jikan no Muda<, Herr«, sagte er. Vetinari blickte ein paar Sekunden lang darauf und gab dann die Zeitung zurück.
Der Patrizier schloss die Augen und trommelte eine Weile mit den Fingern auf dem Tisch.
»Hmm ... 9 6 3 1 7 4.« Drumknott schrieb eilig mit, als die Zahlen kamen, kurz darauf gefolgt von: »8 4 7 3. Und ich bin mir sicher, dass es letzten Monat schon einmal das Gleiche gab. An einem Montag, glaube ich.«
»Siebzehn Sekunden, Herr«, sagte Drumknott, der immer noch schrieb.
»Es war ein anstrengender Tag«, sagte Vetinari. »Und was soll das Ganze? Zahlen lassen sich leicht überlisten. Sie können sich nicht einmal wehren. Aber die Leute, die Kreuzworträtsel entwerfen, werden immer hinterhältiger. Wer weiß schon, dass >Pysdxes< antike ephebische Nadelhalter aus geschnitztem Knochen sind?«
»Du natürlich, Herr«, sagte Drumknott und verstaute sorgfältig die Akten, »sowie der Kurator für ephebische Antiquitäten am Königlichen Kunstmuseum, der Rätselmacher der Times und Fräulein Grazia Sprecher, die eine Zoohandlung an den Pellicool-Stufen betreibt.«
»Wir sollten dieses Geschäft unbedingt im Auge behalten, Drumknott. Eine Frau mit einem solchen Intellekt soll sich damit zufriedengeben, Hundefutter zu verkaufen? Das glaube ich nicht.«
»Völlig richtig, Herr. Ich werde mir eine Notiz machen.«
»Übrigens freut es mich zu hören, dass deine neuen Stiefel nicht mehr quietschen.«
»Danke, Herr. Sie sind jetzt gut eingelaufen.«
Vetinari blickte nachdenklich auf die Akten des Tages. »Herr Beuge, Herr Beuge, Herr Beuge«, sagte er. »Der geheimnisvolle Herr Beuge. Ohne ihn wäre die Königliche Bank in viel größeren Schwierigkeiten, als sie bislang schon war. Ohne ihn wird sie einfach umkippen. Sie dreht sich um ihn. Sie schlägt im gleichen Takt wie sein Herz. Der alte Üppig hatte Angst vor ihm, da bin ich mir sicher. Er sagte, er wäre überzeugt, dass Herr Beuge ...« Er hielt inne.
»Herr?«, sagte Drumknott.
»Belassen wir es einfach bei der Feststellung, dass er sich in jeglicher Hinsicht als vorbildlicher Staatsbürger erwiesen hat«, sagte Vetinari. »Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land, nicht wahr?«
»Über ihn gibt es keine Akte, Herr.«
»Weil er niemals auffällig geworden ist. Über ihn weiß ich nur, dass er als Kind in die Stadt kam, auf einem Karren, mit dem eine Gruppe reisender Buchhalter unterwegs war ...«
»Was, so etwas wie Kesselflicker und Wahrsager?«, fragte Feucht, als die Droschke durch
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