Schöne Scheine
Totenschädel dabei. Grässliches Stück, meinte Mutter. Andererseits«, fügte Ludmilla hinzu, »sagt sie so etwas Ähnliches über fast jeden. Er kam mit einer schwarzen Kutsche.«
»Doch nicht etwa Lord Vetinari?«
»Oh nein. Mutter ist sehr von ihm angetan, nur dass sie meint, er sollte mehr Leute aufknüpfen. Nein, dieser Mann war ziemlich füllig, sagte Mutter.«
»Ach wirklich?«, sagte Feucht. »Nun gut, vielen Dank. Wir sollten jetzt lieber gehen. Oder hast du zufällig einen Schlüssel für diesen Schrank?«
»Nein. Vor Jahren hat er ein neues Schloss angebracht, aber Mutter hat sich nicht darüber beschwert, weil er ansonsten nie Ärger macht. Es ist eins von diesen Zauberschlössern, die sie an der Universität verkaufen«, fuhr Ludmilla fort, während Feucht das Schloss untersuchte. Das Problem mit diesen verfluchten Zauberdingern war, dass praktisch alles ein Schlüssel sein konnte, von einem Wort bis zu einer bloßen Berührung.
»Es ist doch recht seltsam, dass er seine ganze Kleidung an den Wänden aufhängt, nicht wahr?«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
Ludmilla sah ihn tadelnd an. »In diesem Haushalt benutzen wir das Wort >seltsam< nicht.«
»Auf andere Weise normal?«, schlug Feucht vor.
»So kann man es formulieren.« In Ludmillas Augen stand ein warnendes Glitzern. »Wer kann schon sagen, wer auf dieser Welt wirklich normal ist?«
Vielleicht jemand, dessen Fingernägel nicht sichtbar länger werden, wenn er sich ärgert, dachte Feucht. »Wir sollten jetzt zur Bank zurückkehren«, sagte er. »Wenn Herr Beuge wieder auftaucht, sag ihm bitte, dass man nach ihm sucht.«
»Und dass man sich Sorgen um ihn macht«, fügte Fräulein Gardinia schnell hinzu, bevor sie die Hand vor den Mund schlug und errötete.
Ich wollte doch nur Geld machen, dachte Feucht, als er das zitternde Fräulein Gardinia zurück in die Gegend führte, in die sich die Droschken wagten. Deswegen bin ich doch überhaupt hierhergekommen! Ich dachte, das Leben im Bankwesen wäre nicht mehr als gewinnträchtige Langeweile, die höchstens von einer gelegentlichen Zigarre unterbrochen wird. Stattdessen hat es sich als auf andere Weise normal erwiesen. Die einzige vernünftige Person ist Igor - und vielleicht die Steckrübe. Obwohl ich mir bei der Steckrübe auch nicht ganz sicher bin.
Er setzte das schniefende Fräulein Gardinia vor ihrer Wohnung in Willkommensseife ab, mit dem Versprechen, ihr sofort Bescheid zu geben, wenn der vermisste Herr Beuge wieder auf der Bildfläche erschien, und fuhr mit der Droschke weiter zur Bank. Die Nachtwache war bereits eingetroffen, aber es hielten sich immer noch etliche Angestellte im Haus auf. Offenbar waren sie einfach nicht in der Lage, sich mit der veränderten Wirklichkeit abzufinden. Herr Beuge hatte genauso zum Inventar gehört wie die Säulen.
Cosmo hatte ihn besucht. Aber bestimmt nicht, um sich nach seinem werten Befinden zu erkundigen.
Weswegen hatte er ihn besucht? Um ihm zu drohen? Niemandem gefiel es, zusammengeschlagen zu werden. Aber vielleicht war die Sache etwas diffiziler gewesen. Vielleicht ein Wir werden allen Leuten sagen, dass du ein Vampir bist. Worauf eine ausgeglichene Persönlichkeit antworten würde: Steck’s dir dorthin, wohin die Sonne nicht scheint. Vor zwanzig Jahren hätte eine solche Drohung gefruchtet, aber heutzutage? Es gab jede Menge Vampire in der Stadt, allesamt verdammt neurotisch, und alle trugen das Schwarze Band, um zu zeigen, dass sie die Verzichtserklärung unterschrieben hatten und einfach nur ihr - in Ermangelung eines besseren Wortes - Leben weiterführen wollten. Die meiste Zeit wurden sie von den übrigen Leuten einfach akzeptiert. Ein Tag nach dem anderen verging, ohne dass es zu Schwierigkeiten kam, bis die Situation von allen als normal betrachtet wurde. Auf andere Weise normal, aber dennoch normal.
Nun gut, Herr Beuge hatte sich über seine Vergangenheit ausgeschwiegen, aber das war kaum ein Grund, die Heugabeln zu zücken. Gütiger Himmel, er hatte vierzig Jahre lang in einer Bank gearbeitet und Zahlen zusammengerechnet!
Aber vielleicht sah er selbst das anders. Der eine maß den gesunden Menschenverstand an einem Lineal, der andere benutzte dazu eine Kartoffel.
Feucht hörte nicht, wie sich Gladys näherte. Er wurde sich nur irgendwann bewusst, dass sie hinter ihm stand.
»Ich Habe Mir Große Sorgen Um Dich Gemacht, Herr Lipwig«, grollte sie.
»Vielen Dank, Gladys«, sagte er vorsichtig.
»Ich
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