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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Straßen schaukelte, die immer schmaler und dunkler wurden.
    »Vielleicht könnte man es so sehen«, sagte Fräulein Gardinia mit einer Spur von Missbilligung. »Sie unternehmen große Rundreisen bis in die Berge, sie führen die Bücher für kleine Geschäfte, helfen den Leuten bei ihren Steuern und solche Sachen.« Sie räusperte sich. »Es sind ganze Familien. Das muss ein wunderbares Leben sein.«
    »Jeden Tag ein neues Rechnungsbuch«, sagte Feucht und nickte ernst, »und abends trinken sie Bier, und fröhliche Buchhalter tanzen zur Akkordeonmusik den Bilanz-Tango ...«
    »Tun sie das wirklich?«, fragte Fräulein Gardinia unsicher.
    »Ich weiß es nicht. Ich stelle es mir nur ganz nett vor«, sagte Feucht. »Auf jeden Fall würde das einiges erklären. Offenbar war er sehr ehrgeizig. Auf der Straße konnte er höchstens darauf hoffen, eines Tages das Pferd führen zu dürfen.«
    »Er war dreizehn«, sagte Fräulein Gardinia und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Es ist so traurig.« Sie sah Feucht mit verweintem Gesicht an. »In seiner Vergangenheit gibt es etwas Schreckliches, Herr Lippschwick. Es heißt, dass eines Tages ein paar Männer zur Bank kamen und fragten ...«
    »Wir wären da, bei Frau Kuchen«, rief der Kutscher und brachte das Gefährt abrupt zum Stehen. »Das macht elf Cent, und bittet mich nicht, auf euch zu warten, weil die Leute mir hier in Null-kommanix das Pferd aufbocken und die Hufeisen klauen werden.«
    Die Tür der Pension wurde von der haarigsten Frau geöffnet, die Feucht jemals gesehen hatte, aber in der Umgebung der Ulmenstraße lernte man, sich nicht weiter über solche Sachen zu wundern. Frau Kuchen war dafür bekannt, die neu in der Stadt eingetroffenen Untoten zu beherbergen und ihnen eine sichere und verständnisvolle Zuflucht zu bieten, bis sie auf eigenen Füßen stehen konnten, ganz gleich, wie viele sie hatten.
    »Frau Kuchen?«, sagte er.
    »Mutter ist in der Kirche«, erwiderte die Frau. »Sie sagte, dass ich mit deinem Besuch rechnen sollte, Herr Lipwig.«
    »Bei euch wohnt ein gewisser Herr Beuge, nicht wahr?«
    »Der Bankier? Zimmer sieben im zweiten Stock. Aber ich glaube nicht, dass er da ist. Er steckt doch nicht in Schwierigkeiten, oder?«
    Feucht erklärte ihr die Situation und war sich der Türen bewusst, die sich überall im Zwielicht hinter der Frau einen Spalt weit öffneten. Die Luft roch streng nach Desinfektionsmitteln. Frau Kuchen glaubte fest daran, dass Sauberkeit vertrauenerweckender war als Frömmigkeit. Außerdem würde ohne diesen intensiven Kiefernduft die eine Hälfte ihrer Klientel vom Geruch der anderen in den Wahnsinn getrieben werden.
    Und inmitten von alledem befand sich das stille, unscheinbare Zimmer von Herrn Beuge, Hauptkassierer der Königlichen Bank von Ankh-Morpork. Die Frau, die sich schließlich als Ludmilla vorstellte, gewährte ihnen, wenn auch zögernd, mit ihrem Hauptschlüssel Zugang zu der Unterkunft.
    »Er war immer ein guter Gast«, sagte sie. »Hat nie Ärger gemacht.«
    Mit einem Blick nahm Feucht alles in sich auf: den engen Raum, das schmale Bett, die Kleidung, die ordentlich an den Wänden hing, die kleine Waschschüssel mit Krug, der unpassend große Schrank. Im Leben sammelt sich Krempel an, aber offenbar nicht bei Herrn Beuge. Es sei denn, es befand sich alles im Schrank.
    »Die meisten eurer langjährigen Gäste sind Unt...«
    »... auf andere Weise Lebende«, sagte Ludmilla streng.
    »Ja, natürlich, also frage ich mich, warum ... Herr Beuge sich hier einquartiert hat.«
    »Herr Lipwig, was willst du damit andeuten?«, sagte Fräulein Gardinia.
    »Du musst zugeben, dass man so etwas nicht erwartet«, sagte Feucht. Und da sie ohnehin schon außer sich war, fügte er nicht hinzu:  Ich muss gar nichts andeuten. Das ist doch offensichtlich. Groß. Dunkel. Kommt vor Sonnenaufgang, geht nach Anbruch der Dunkelheit. Wird von Herrn Quengler angeknurrt. Zwanghaftes Zählen. Detailversessenheit. Jagt einem immer wieder einen leichten Schrecken ein, wofür man sich ein wenig schämt. Schläft auf einem langen schmalen Bett. Wohnt bei Frau Kuchen, wo die Vampire abhängen. Es ist nicht besonders schwierig, eins und eins zusammenzuzählen.
    »Es geht doch nicht etwa um den anderen Mann, der vor ein paar Abenden hier war, oder?«, sagte Ludmilla.
    »Was war das für ein Mann?«
    »Hat seinen Namen nicht genannt. Sagte nur, er wäre ein Freund. Ganz in Schwarz gekleidet, hatte einen schwarzen Gehstock mit einem silbernen

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