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Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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vergitterter Fenster ein. Und was die Grundarchitektur betraf, war es das auch schon. Ansonsten gab es nur noch Verschläge.
    Verschläge waren an den Wänden errichtet worden und hingen sogar wie Schwalbennester bis fast unter der Decke. Recht wacklig aussehende Holztreppen führten hinauf. Der unebene Boden bestand aus einem kleinen Dorf aus Verschlägen, die wahllos angeordnet waren. Es gab keine zwei, die sich glichen, und jeder war sorgfältig durch ein Dach gegen den nicht vorhandenen Regen geschützt. Rauchfäden schlängelten sich träge durch die dicke Luft. Vor einer Wand glühte ein Schmiedefeuer in düsterem Orange und sorgte für die angemessene stygische Atmosphäre. Hier sah es aus wie in einer Vorhölle, die für Leute gedacht war, die kleinere und eher langweilige Sünden begangen hatten.
    Das war jedoch nur der Hintergrund. Was den Saal dominierte, war der Unglückscent. Die Tretmühle war ... seltsam.
    Feucht hatte schon einige Tretmühlen gesehen. Es gab eine im Kittchen, wo die Insassen ihr Herz-Kreislauf-System kräftigen konnten, ob sie es wollten oder nicht. Feucht hatte ein oder zwei Runden mitgemacht, bevor er herausgefunden hatte, wie man mit dem Mechanismus spielte. Es war ein Höllenapparat, eng, schwer und bedrückend. Der Unglückscent war viel größer, aber er schien kaum vorhanden zu sein. Es gab eine Metallfelge, die von hier aus betrachtet erschreckend dünn aussah. Feucht versuchte vergeblich, die Speichen zu erkennen, bis ihm klar wurde, dass es gar keine gab, nur Hunderte von dünnen Drähten.
    »Also gut, ich sehe, dass es zu funktionieren scheint, aber ...«, sagte er, als er zum riesigen Getriebe hinaufstarrte.
    »Es funktioniert in der Tat bestens«, bestätigte Beuge. »Hier gibt es einen Golem, der es im Bedarfsfall antreibt.«
    »Aber es müsste sofort in tausend Stücke zerbrechen!«
    »Sollte es das? Ich bin nicht imstande, das zu beurteilen, Herr. Ach, da kommen sie ja ...«
    Gestalten näherten sich ihnen aus den unterschiedlichen Verschlägen und von der Tür am anderen Ende des Gebäudes. Sie gingen langsam und bedächtig und strebten einem gemeinsamen Ziel zu wie Untote. Schließlich nannte Feucht sie bei sich die Männer aus den Verschlägen. Sie waren gar nicht so alt, jedenfalls nicht alle, aber selbst die jüngeren, jedenfalls die meisten, schienen schon frühzeitig den Mantel des mittleren Alters angelegt zu haben. Um einen Arbeitsplatz in der Münze zu bekommen, musste man offenbar warten, bis jemand gestorben war. Also ging es um die Verschläge der Toten. Die Sonnenseite an dieser Angelegenheit war jedoch, dass man, sobald die erhoffte freie Stelle verfügbar wurde, auf jeden Fall den Job bekam, auch wenn man nur wenig lebendiger als der vorherige Arbeitnehmer war.
    Die Männer aus den Verschlägen betrieben den Bandschleifer-Verschlag, den Rändel-Verschlag, den Endschliff-Verschlag, die Gießerei (zwei Verschläge), den Wachschutz (ein Verschlag, allerdings ein ziemlich großer) und den Lager-Verschlag, der ein Schloss hatte, das Feucht mit einem Nieser hätte öffnen können. Die anderen Verschläge stellten ihn vor ein Rätsel, aber vermutlich waren sie für den Fall errichtet worden, dass jemand sehr eilig einen Verschlag brauchte.
    Die Männer aus den Verschlägen hatten Namen, zumindest solche, die in den Verschlägen als Namen galten: Alf, Jung-Alf, Schlinger, Klein-Charlie, König Heinrich ... doch der eine, der zufällig der offizielle Sprecher für den Rest der Welt außerhalb der Verschläge war, hatte einen vollständigen Namen.
    »Das ist Herr Schattig der Achtzehnte, Herr Lipwig«, sagte Beuge. »Herr Lipwig ist... nur zu Besuch.«
    »Der Achtzehnte?«, fragte Feucht. »Gibt es weitere siebzehn von dir?«
    »Nein, jetzt nicht mehr, Herr«, sagte Schattig grinsend.
    »Herr Schattig hat das erbliche Amt des Vorarbeiters inne«, erklärte Beuge.
    »Ein erbliches Amt...«, wiederholte Feucht verständnislos.
    »Richtig, Herr«, sagte Schattig. »Möchte Herr Lipwig die Geschichte des Amts hören, Herr?«
    »Nein«, sagte Beuge entschieden.
    »Ja«, sagte Feucht begeistert.
    »Oh, anscheinend doch«, seufzte Beuge. Herr Schattig lächelte.
    Es war eine sehr umfängliche Geschichte, die einige Zeit brauchte, um erzählt zu werden. An einem Punkt war Feucht überzeugt, dass demnächst eine Eiszeit beginnen musste. Worte berieselten ihn wie Schneeregen, aber wie Schneeregen blieben einige an ihm hängen. Das erbliche Amt des Vorarbeiters war vor

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